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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Augenblick und auch später, als ich mich zu Hause in meinem Halbschlaf oder meiner Schlaflosigkeit daran erinnerte, nicht, daß ich Experte wäre für diese Waffen, aber in meiner Lehrzeit in Oxford mußte ich einmal als eine von vielen hochgestochenen, angestaubten Passagen ohne jeden praktischen Nutzen eine von Sir Richard Francis Burton – für die Antiquare schlicht »Captain Burton« – über die verschiedenen Schwerttypen übersetzen, eine zudem illustrierte Passage, und dieser Name und das dazugehörige Bild wie auch einige andere waren mir im Gedächtnis geblieben (»à la Pappenheim« zum Beispiel), das der Landsknechte war auch unter dem deutschen Spitznamen »Katzbalger« oder so ähnlich bekannt, was »Katzenschlitzer« bedeutet, eine bescheidene, wenig riskante Aufgabe oder unmittelbar nützlich und gemein, schließlich und endlich waren die Landsknechte deutsche Söldner der Infanterie, auf die mein Land jedoch nicht verzichtet hatte in den kaiserlichen Legionen, vielleicht war die absurde Übersetzung vom Spanischen ins Englische erfolgt und nicht umgekehrt, Die Belagerung Wiens durch Karl V ., woher sonst kam mir dieser Titel des unendlichen Lope de Vega in den Sinn, woher sonst kannte ich diese Verse auswendig (vielleicht aber auch, das war nicht unmöglich, weil mein Vater sie vor mir rezitiert hatte, er tat das sehr gern, genau wie Wheeler oder mehr, sie waren fast gleichaltrig): »Ich gehe fort, Spanier Blitz und Feuer, und siegreich lass ich dich zurück. Ich lasse euch, ihr lieblichen Gefilde, aus Spanien geh ich zitternd fort; denn diese Männer, von Zorn erfüllt, sind wie Blitze ohne Donner, die stumm in Stücke spalten.« Sehr patriotisch und anmaßend und sehr gelungen, die Passage, im Munde eines Invasoren, der flieht, das war nicht der Fall bei jener Belagerung, die dem Zweck diente, eine andere aufzuheben und zu beenden, die der Stadt Wien durch die Osmanen unter dem Befehl von Suleiman dem Prächtigen, wie müssen sie dort geglüht haben, die »Katzenschlitzer«, in den Händen der eher grausamen als zornigen gedungenen Landsknechte, sie erscheinen auf Stichen von Dürer und Altdorfer, und darauf sind auch ihre Waffen zu sehen, dieses nicht sehr lange, waagerecht getragene Schwert, etwa siebzig Zentimeter quer vor dem Bauch, oder manchmal haben sie Piken, die sich nicht sehr von denen Bredas auf dem Bild von Velázquez unterscheiden, es hätte nur noch gefehlt, daß Tupra auch eine von denen geschwungen hätte, um uns einen noch größeren Schrecken einzujagen, mir natürlich, aber vor allem seinem Opfer, De la Garza, gegen den er das Schwert erhob, Reresby hielt es in einer Hand, als er mich wegschob und zur Seite treten ließ, aber er faßte es mit beiden Händen, als er es hob, um den Hieb zu versetzen. Ich sah, wie ihm durch die hochgereckten Arme die Weste nach oben rutschte, er holte aus, so sehr er konnte, darunter, über dem Gürtel, sah man sein Hemd mit ganz feinen, eleganten, blassen Streifen.  
    ›Er wird ihn umbringen‹, dachte ich, ›er wird ihm den Kopf abschneiden, den Hals, nein, das kann nicht sein, das wird er nicht tun, doch, er wird ihn an Ort und Stelle enthaupten, ihm den Kopf vom Rumpf trennen, und ich kann es nicht mehr verhindern, denn die Klinge wird herabfahren und ist zweischneidig, es ist nicht denkbar, daß er ihm nur einen Schlag mit dem Rücken versetzt, auch wenn er heftig wäre, um ihn zu erschrecken, um ihn exemplarisch zu bestrafen, denn diesen Rücken gibt es nicht, sondern eine doppelte Schneide, die in jedem Fall schneiden wird, De la Garza wird sofort tot sein, und dann werden wir eine endlose Zeit warten müssen, bis wir ihn wieder ganz sehen können, aus einem Stück, bis zu dem Tag, an dem sich die beiden Teile, in die er sich jetzt verwandeln wird, aus Schicklichkeit wieder zusammenfügen, um anständig und nicht wie eine Jahrmarktattraktion vor Gericht zu erscheinen, mit dem Kopf auf den Schultern und nicht unter dem Arm, als wäre er ein Ball oder ein Globus, und dort zu schreien: »Ich kam in England zu Tode, in einem öffentlichen Waschraum, in einer Behindertentoilette in der alten Stadt London. Mich tötete dieser Mann mit einem Schwert und machte zwei Teile aus mir, und dieser andere war dabei, sah es und rührte keinen Finger. Es war in einem anderen Land, und der mich tötete, befand sich in seinem, doch für mich war er ein Ausländer, denn das war er für mein Land; aber der dabei war und nichts tat, sprach meine Sprache,

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