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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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es die gleiche Größe wie das in den winzigen Ehrentempeln auf dem Friedhof Os Prazeres, die spärlich dekoriert und angeblich gemütlich waren, bewohnt und unbewohnt. »Stand clear, Jack«, waren seine Worte oder vielleicht »Clear off« oder »Step aside« oder »Out of my way, Jack« , es ist schwer, sich genau an das zu erinnern, was hinter dem verschwindet, was viel mehr ist und später kommt, jedenfalls verstand ich, welcher Ausdruck es auch immer gewesen sein mochte, das war die Bedeutung, und außerdem wurde er begleitet von der Geste der festen Hand auf der Schulter, die sich wegschieben ließ, mit gutem Willen konnte man verstehen »Geh zur Seite«, mit schlechtem »Verzieh dich, Jack, geh mir aus dem Weg, misch dich nicht ein, und komm nicht auf den Gedanken, es zu verhindern«, doch der Ton paßte eher zu ersterem, er war sanft für einen Befehl, der weder Ungehorsam noch Zögern duldete, keinen Aufschub bei seiner Ausführung, weder Widerstand noch Infragestellung, noch Protest, nicht einmal die Äußerung von Schrecken, denn es ist unmöglich, jemandem zu widersprechen oder zu widerstehen, der ein Schwert in der Hand hält und es hebt, um es niederfahren zu lassen, einen Schlag zu versetzen, einen Hieb zu tun, ohne daß man die Waffe hat auftauchen sehen oder weiß, woher sie gekommen ist, eine primitive Schneide, ein mittelalterliches Heft, ein homerischer Griff, eine archaische Spitze, die unnützeste oder unzeitgemäßeste aller Stichwaffen, mehr noch als ein Pfeil oder eine Lanze, ein Anachronismus, eine Absurdität, eine Extravaganz, in einer Weise disparat, daß der bloße Anblick Panik verursacht, nicht bodenlose, sondern atavistische Angst, so als würde man augenblicklich die Erkenntnis zurückgewinnen, daß es das Schwert ist, das im Verlauf fast aller Jahrhunderte am meisten getötet hat – aus der Nähe und im Angesicht des Toten, ohne daß der Mörder oder Richter oder Gerechte es aus der Hand gibt oder sich von ihm trennt, während er sein unheilvolles Werk verrichtet und mit ihm zustößt, abschlägt und in Stücke haut, alles mit derselben Waffe, die er nicht wirft, sondern festhält und jedesmal kräftiger packt, während er durchbohrt, verstümmelt, aufspießt und ganze Glieder abhackt, niemals ein Mehlsack, sondern immer ein Fleischsack, der nachgibt und sich öffnet unter unserer Haut, die nichts aushält, sie taugt nichts, alles verletzt sie, sogar ein Fingernagel ritzt sie, ein Messer schlitzt sie auf, und eine Lanze zerfetzt sie, und ein Schwert zerreißt sie bei der ersten Berührung, nach seinem Weg durch die Luft; daß es das gefährlichste und hartnäckigste und furchtbarste ist, denn im Unterschied zu einer Wurfwaffe kann es den Schlag wiederholen, mit Stichen zusetzen und nicht damit aufhören, einer und noch einer und noch einer und jeder schlimmer, gnadenloser, es ist kein Pfeil und keine Lanze, die ihr Ziel finden und denen nicht unbedingt andere folgen müssen, die ebenfalls treffen und in denselben Körper eindringen, es kann nur einmal geschehen, nicht mehr, und vielleicht schlagen sie eine einzige Bresche oder eine einzige Wunde, die geheilt werden kann, wenn sie nicht mit einem bösen Gift imprägniert sind, wohingegen das Schwert beharrlich hinein- und herausfährt und hineinfährt und schneidet, es ist imstande, den Gesunden zu töten und dem Verwundeten den Garaus zu machen und den Toten endlos zu zerstückeln, bis derjenige, der es führt, erschöpft ist oder fällt, er wird es niemals loslassen noch verlieren, wenn er nicht seinerseits getötet oder ihm der Arm abgerissen wird; und deshalb bezwang schon die Bewegung des Zückens und war nicht vergeblich, besser, man führte sie nur halb aus, als Drohung oder Zweifel oder Zeichen der Warnung oder visuelle Botschaft, auf der Hut zu sein, denn war erst einmal die ganze Klinge in der Luft, war erst einmal die Spitze frei und lauernd, dann war das schon die sichere Ankündigung des unvermeidlichen Blutes.
    Ich hatte Tupra nicht das Schwert aus der Scheide ziehen sehen, wenn es denn dort irgendeine Scheide gab, plötzlich hielt er wie durch Zauber das nackte Schwert in der Hand, eine nicht sehr lange, aber brutale und in jedem Fall äußerst scharfe Klinge, zweifellos um einiges kürzer als ein Meter, ein nicht mittelalterliches Heft, obwohl alle so aussehen auf den ersten Blick, bis auf die mit Gefäß oder »a tazza« , vielleicht war es eher renaissancehaft, mir kam es wie ein Landsknechtsschwert vor in dem

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