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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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recht bedenkt, sogar die Erwiderung von tausend empfangenen Gefälligkeiten ist freiwillig, es gibt kein Gesetz, das sie fordert, oder kein geschriebenes.« Doch wir wagen nie, so zu antworten, nicht einmal dem Unbekannten, der sich an uns wendet und uns überdies nicht gefällt oder uns mißtrauisch macht. Es scheint lächerlich zu sein, aber meist gibt es zunächst einmal keinen Ausweg, und bei der jungen Pérez Nuix habe ich keinen: sie ist eine Kollegin; sie ist in einer Nacht mit Hundewetter zu mir gekommen; sie ist eine halbe Landsmännin; ich habe sie hereingelassen; sie spricht mit mir in meiner Sprache; sie zeigt mir ohne Vorbedacht ihre Schenkel, und sie sind angenehm; sie lächelt mich an; und ich bin hier fremder als sie. Ja, ich bin neu.‹
    »Man kann nie wissen, was es den anderen kosten wird«, sagte ich, ich versuchte, mich zumindest gegen diese Annahme, gegen diesen Teil zu wehren. Ich versuchte, sie mit dieser Antwort taktvoll und höflich von ihrem Vorsatz abzubringen. Zuviel Höflichkeit, zuviel Taktgefühl für jemanden, der mit Macht etwas will und schon begonnen hat, es zu verlangen. Ich war auch neugierig (noch nicht sehr, minimal, gerade soweit man es nicht vermeiden kann; aber das ist schon genug) und vielleicht geschmeichelt, die Erkenntnis, daß man imstande ist, jemandem zu helfen oder ihm etwas zu gewähren oder gar ihn zu retten, ist in der Regel das Vorspiel zu Komplikationen, wenn nicht zu Mißhelligkeiten, die alle als schlichte Genugtuung daherkommen. In meinem Geschmeicheltsein war ich kurz davor, zu sagen: ›Sag nur.‹ Aber ich hielt mich zurück: damit hätte ich augenblicklich meinen leichten Abwehr- oder zaghaften Rebellionsversuch zunichte gemacht. Da ich mich ergeben würde, sollte es nicht ohne Störfeuer sein, auch wenn dabei nur Salven abgefeuert würden. Munition wäre nicht nötig.
    »Das stimmt, entschuldige.« Sie war vorsichtig, das wußte ich schon, sie würde nicht mit mir streiten, bevor sie um was auch immer gebeten hätte, mir weder widersprechen noch mich verstimmen, nicht vorher; vielleicht danach, wenn ich mich unzugänglich zeigen oder hartnäckig weigern würde, um mich zu überreden oder mich zu erschrecken. »Du hast recht, es ist eine grundlose Vermutung. Für mich ist es ein großer Gefallen, und das läßt mich im Gegenzug annehmen, daß es den anderen nicht viel kosten wird. Abgesehen davon, daß ich es auch glaube, daß es dich nichts kosten wird. Aber vielleicht sollte ich dich nicht darum bitten, wenn ich es recht bedenke. Es stimmt, daß man es nicht wissen kann.« Und bei diesen Worten straffte sie sich auf dem Sofa und reckte den Hals, wie ein Tier auf der Hut, nichts weiter, wie jemand, der erkennen läßt, daß er die sehr vage Möglichkeit in Betracht zu ziehen beginnt, vielleicht daran zu denken, unter Umständen langsam aufzubrechen. O nein, sie würde nicht gehen, kein Gedanke, nicht so, auf keinen Fall, sie hatte sich schon genug angestrengt, hatte hin und her überlegt, hatte mir Unschlüssigkeit und Zeit gewidmet. Sie würde nur gehen mit einem »ja« oder mit einem »nein«. Oder sich sicher auch begnügen mit einem »Ich werde sehen, was ich tun kann, ich werde versuchen, es zu machen« oder »Das will ich im Austausch dafür«, man kann immer versprechen und dann sein Wort brechen, das geschieht so häufig. Aber ein »Kommt drauf an« würde sie nicht gelten lassen.
    »Nein nein, so meine ich es nicht. Sag nur. Auf, sag schon.« Länger brauchte ich nicht, um meinen Versuch zunichte zu machen, länger brauchte ich nicht, um mich zu ergeben. Die Höflichkeit ist ein Gift, sie führt uns ins Verderben. Ich wollte auch nicht spät in der Nacht und ohne Klärung schlafen gehen. Ich streichelte den Hund, er wirkte müde, das Gewicht des Wassers gegen seine luftigen Tritte, tis tis tis, er war schon trockener. Bestimmt war er nicht mehr jung. Er war dabei, einzuschlummern. Ich klopfte ihm auf den Rücken, er reckte den Hals wie seine Besitzerin, eine Sekunde lang, als er meine freundliche Hand spürte; er ließ es mit einer Spur Snobismus geschehen, dann senkte er sogleich wieder den Kopf, ohne mir weiter Beachtung zu schenken, ich war nur ein Zwischenspiel. Er hatte keine Lust, sich näher einzulassen.
    »Übermorgen oder überübermorgen, glaube ich, oder spätestens nächste Woche«, startete Pérez Nuix daraufhin, sie hatte endlich grünes Licht und würde es nicht ungenutzt lassen, »wirst du jemanden deuten müssen, den ich kenne,

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