Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
auch immer. Er versetzte ihm auch keinen Fußtritt zum Abschied oder zum Abschluß, als er an seinem Körper, an De la Garza, vorbeiging. Tupra war zweifellos Sir Punishment , aber vielleicht nicht Sir Cruelty . Oder vielleicht war es so, daß er niemals, niemals direkt zuschlug, mit keinem Teil seines Körpers. Nur der Schoß seines Mantels streifte in seinem Flug, wie der Umhang eines Stierkämpfers, das Gesicht des Gefallenen, als er hinausging.
Bevor ich durch die zweite Tür ging, die Tür, die direkt in die Diskothek führte, kam mir noch ein Vers von »The Streets of Laredo« in den Sinn, mit seiner hartnäckigen Melodie, die nicht weichen wollte. Dieser Vers kam mir unpassend vor, weil ich nicht behaupten konnte, daß ich ihn in diesem Augenblick nicht ein wenig unterschrieb, wie das, was man übersetzt oder bei einem Eid wiederholt, oder daß Tupra ihn sich nicht in jener Nacht zu eigen machen könnte nach meinem in seinen Augen durchweg unbefriedigenden Verhalten: »We all loved our comrade although he’d done wrong«, so lautete er, oder, was das gleiche ist: »Wir alle liebten unseren Kameraden, auch wenn er falsch gehandelt hatte.« Natürlich konnte man das auch übersetzen: »… auch wenn er Unrecht getan hatte«, und das war vielleicht die richtigere Version.
R eresby kannte seine Zeiten, es waren fünfunddreißig Minuten, die wir am Tisch verbringen mußten, bevor wir vier die Diskothek verließen, Herr und Frau Manoia, er und ich. Wir hatten das Ehepaar bei weitem nicht so lange allein gelassen, die ganze Operation in der Toilette dürfte keine zehn Minuten gedauert haben, ich meine Tupras gewaltsames Eingreifen, und bis dahin hatte er Flavia entgegenkommend begleitet, zuerst zur Damentoilette und dann zurück zum Tisch; er hatte sie nicht vernachlässigt und damit auch nicht ihn, sie konnten sich nicht groß beklagen über unsere Abwesenheit. Manoia erschien mir daher nicht besonders ungeduldig oder mißgelaunt, oder aber lo sfregio im Gesicht seiner Frau hatte ihn derart aufgebracht, daß ihm danach nichts anderes übrig geblieben war, als das Fieber zu senken, sich vergleichsweise zu beruhigen, während wir dem Trottel die Strafe zukommen ließen (jetzt schloß ich mich in den Plural ein), vielleicht in seinem Namen und vielleicht auf seinen Befehl hin.
Tupra gab seinen Mantel jedenfalls nicht mehr an der Garderobe ab, er setzte sich hin, behielt ihn über den Schultern, wie einen Umhang, der gerade über seinen Rücken fiel, erzwungen durch die starre Waffe, er schien es gewohnt zu sein (er machte sich bestimmt den Saum schmutzig, der den Boden berührte). Ich fragte mich, ob Manoia wohl eine Vorstellung davon hatte, was mein Chef verborgen bei sich trug, vielleicht hätte es ihm nicht gefallen. Es war auch nicht auszuschließen, daß er das Schwert nicht von Anfang an dabeigehabt hatte, daß es ihn nicht immer begleitete, daß man es ihm in der Garderobe überreicht hatte, zusammen mit dem Mantel; daß man es auf ein Zeichen von ihm in die lange Futteral-Tasche gesteckt hatte, daß er es in diesem Lokal sozusagen hinterlegt hatte und man es ihm übergab, wenn es nötig war. Bestimmt war er ein regelmäßiger, privilegierter Besucher, das war er wohl an allen Orten, die wir aufsuchten, zumindest behandelte man ihn so, wie jemanden, der sehr bekannt war, den man hofierte, den man respektierte und sogar ein wenig fürchtete, ob er nun an den einen Reresby, an den anderen Ure und an den übrigen Dundas hieß. Aber nicht überall dürfte man Waffen für ihn aufbewahren oder ihm aushändigen. Lange Stichwaffen.
Während dieser fünfunddreißig Minuten vertiefte er sich in die Unterhaltung mit Manoia, nachdem er beim Eintreffen eine Geste in seine Richtung gemacht hatte, die ich als »Erledigt!« oder »Sie können sich als entschädigt betrachten« oder »Es ist vorbei mit dem Ärger, ich bedaure, daß es ihn gegeben hat« zu deuten wagte. Ich hörte, wie sie einzelne, bereits gefallene Namen wiederholten: Pollari, Letta, Saltamerenda, Valls, »the Sismi« , ich wußte nicht, was das war. Mich würdigte Manoia keines Blickes, vermutlich hatte er sich eine äußerst schlechte Meinung gebildet und zog es vor, jeden Kontakt mit mir, selbst den visuellen, zu vermeiden. Mir kam also wieder die Aufgabe zu, Flavia zu zerstreuen, so als sei nichts geschehen; aber sie war mißmutig, kaum willig, zu reden, fast deprimiert, sie warf vage Blicke in die Runde, lustlos, nur, um die Zeit totzuschlagen, sie
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