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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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sagte er zu ihnen.« Und dieses Mal sprach Tupra den Namen mit Cockney-Akzent oder wie ein Angehöriger der Unterschicht aus, das heißt wie das Wort »Cry« , Schrei oder Weinen, je nachdem. So als spielte er die Rolle, vorübergehend, stellvertretend: seine naive, weiche Eitelkeit hatte ihn abermals gepackt. Wir waren gerade auf meinen beschaulichen Square eingebogen, meinen Platz, der still und ruhig war, sobald die Dunkelheit hereinbrach; er hatte gegenüber den Bäumen geparkt und sofort den Motor abgestellt, aber er würde mich nicht gleich aussteigen lassen, er sprach noch immer mit mir. Und der Grund für sein Bestreben, mich nach Hause zu fahren, war noch immer nicht deutlich geworden. »Und ich sage zu mir selbst, George, sage ich«, setzte er den Monolog fort, es war, als hätte er ihn auswendig gelernt seit jenem Abend, an dem er mit seinem Schauspielerfreund geprobt hatte, vor Jahren, »diese Jungs sind was Besonderes, diese Jungs sind was Neues. Ihr habt es. Ihr habt’s erfaßt. Und ich kann es sehen.« Dieser oder andere ähnliche Ausdrücke waren die Devise unserer Arbeit, »Ich kann es sehen, ich kann dein Gesicht morgen sehen«. »Und ihr müßt lernen, es zu gebrauchen. Seht mal, da draußen gibt es Leute, ungeheuer viele Leute, denen es nicht gefällt, wenn man ihnen Schaden zufügt. Weder ihnen noch ihrem Eigentum. Und diese Leute, denen es nicht gefällt, Schaden zu erleiden, bezahlen Leute, damit diese ihnen keinen Schaden zufügen. Ihr wißt, von was ich rede, nicht wahr? Natürlich. Gut, wenn ihr hier rauskommt, Jungs, dann haltet schön die Augen offen, stellt den Leuten nach, denen es nicht gefällt, Schaden zu erleiden. Denn selbst ich scheiße aus Angst vor euch in die Hose, Jungs. Wunderbar.« »Cos you scare the shit out of me, boys. Wonderful«, so hatte Tupra es auf englisch gesagt, den letzten Satz, mit seiner falschen Aussprache, die vielleicht seine wahre war, in seinem so raschen, stillstehenden Wagen, im Mondlicht der Straßenlampen, zu meiner Rechten sitzend, die Hände noch immer auf dem reglosen Lenkrad, das er umklammerte oder strangulierte, er trug keine Handschuhe mehr, sie waren im Mantel zusammen mit dem Schwert, schmutzig und naß und in Toilettenpapier eingewickelt. »Das ist es, Jack. Die Angst«, fügte er hinzu, und diese sechs Wörter (oder es waren weniger in seiner Sprache) klangen noch immer so, als gehörten sie zu der Rolle, die er nachahmte oder sich angemaßt hatte oder die man ihm vielleicht geraubt hatte oder die er, vertreten durch seinen Freund, ohnehin gespielt zu haben glaubte. Aber es klang nicht genau wie sein Stil, nicht wie der gewohnte von Bertram Tupra, den ich kannte, sondern wie die Nachschöpfung eines shakespearschen Schauspielers, jedenfalls wirklich düster, ich weiß nicht, ob schäbig, eher unheimlich, unheilverkündend, es war nichts Merkwürdiges daran, daß mich bei meinem kommenden und gehenden Schweiß und meinem Gefühl von Fieber ein Schauder erfaßte.

T rotzdem verging mein Unwohlsein allmählich, seit er das Auto angehalten hatte. Ich sah die Lichter in meiner Wohnung brennen, oft ließ ich einige an, wenn nicht alle, für jemanden, der mir von gegenüber oder von der Straße aus nachspionierte, sah es wahrscheinlich aus, als sei ich immer zu Hause, außer wenn ich schlief oder sie zuweilen absichtlich – beim Musikhören – löschte.
    »Sind das deine Lichter da?« fragte mich Tupra, während er dorthin schaute, wo ich hinschaute, er mußte mir einen Augenblick nahekommen und sein Gesicht meinem heruntergekurbelten Fenster nähern, es gefiel ihm, alles zu kontrollieren, oder er erforschte, was er sah, mit seinen stets unersättlichen Augen, die blau oder grau waren, je nachdem, welches Licht auf sie fiel.
    »Ja, ich habe es nicht gern, eine dunkle Wohnung vorzufinden, wenn ich spät nach Hause komme.«
    »Es wird doch wohl nicht jemand oben auf dich warten, oder? Und ich halte dich hier noch länger zurück.«
    »Nein, auf mich wartet niemand, Bertram. Du weißt doch, daß ich allein lebe.«
    »Es könnte ja Besuch sein, jemand, der regelmäßig kommt, der einen Schlüssel hat. Vielleicht eine englische Freundin? Oder wäre es immer eine Spanierin?«
    »Niemand hat meine Schlüssel, Bertram, und dieser Abend war sehr schlecht für späte Verabredungen. Wenn wir mit dir unterwegs sind, wissen wir nie, wann wir zurückkommen. Heute ist es nicht besonders spät, aber De la Garza hätte nur zu kämpfen oder wegzurennen

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