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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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kannte ich nicht, in keiner Sprache.«
    Er spann meinen Scherz nicht fort, aber bestimmt nicht aus Respekt für diesen Premierminister, ich wußte, daß er ihn ebenfalls für eine Schießbudenfigur mit Satinjackett und impliziten Pailletten hielt.
    »Das hieße zu viel vermuten, Jack. Also frag auch nicht danach. Von der CIA oder vom MI6 oder MI5 zu reden, setzt ja nicht voraus, daß man zu ihnen gehört, nicht wahr? Mehr noch, wer dabei ist, nennt sie selten, so wie sich viele Mafiosi das Wort ›Mafia‹ verbitten, sie ertragen es nicht mal, es von anderen, von den normalen Bürgern, zu hören. Man hat dich auch nicht angestellt, damit du Schlüsse ziehst oder Fragen stellst, du kannst dir also diese Aufgaben ersparen, du machst sie umsonst. Oder behalt sie für dich, wenn sie dich verlocken. Aber ärger mich nicht, geh mir nicht auf die Nerven.«
    Dieses Mal erschien er mir unangenehm, unverschämt. »But don’t piss me off, don’t pester me«, so oder ähnlich hatte er gesagt, und es war voll Verachtung gewesen. Es kostete mich keine Mühe, meinen Groll wiederzufinden, der tiefsitzende sollte ohnehin lange Zeit nicht vergehen, und nie sollte ich das schreckliche Geschehen vergessen, das Gefühl von Erbärmlichkeit und Exzeß, das es mir eingeflößt hatte, von Ohnmacht und Selbstherrlichkeit und sogar von analogem Faschismus. Wenn er denn analog war: er hatte mich an die Quadrille der Requetés oder Falangisten erinnert, die im fernen Oktober oder September 1936 auf einem Feld bei Ronda einen Mann wie einen Stier zu Tode gehetzt hatten. Er war mir auf die Füße getreten, und ich zahlte es ihm mit gleicher Münze heim.
    »Du wolltest mir eine Erklärung geben«, sagte ich. »Über die Sache mit dem verdammten Schwert. Die Gebrüder Kray und das alles. Was hast du so Bedeutsames gelernt, wie Zorro zu sein? D’Artagnan, Gladiator, Conan der Barbar, Spartakus? Prinz Eisenherz, die Sieben Samurai, Aragorn, Scaramouche? Oder Darth Vader? Welcher ist das Vorbild?«
    Er legte die Hände wieder auf das blockierte Lenkrad. Er wandte mir den Kopf zu, wandte ihn nach links, bei dem spärlichen Licht – nur Mondlicht – sahen seine Augen schwarz und undurchsichtig aus, wie sonst nie; oder es lag an seinen alles beherrschenden, langen Wimpern, die zu dicht waren, um nicht von fast jeder Frau beneidet und von fast jedem Mann beargwöhnt zu werden. Ich bin ein Mann, aber auch meine sind weder kurz noch schütter. Er lachte ein wenig, etwas herzhafter jetzt, meine Rede hatte ihn amüsiert. Wieder einmal amüsierte ich ihn, das ist der beste Schutzbrief, um fast allem zu entgehen (nicht dem Haß oder der Rache, wohl aber den Repressalien und den jähzornigen Drohungen, und das ist viel).
    »Ja, spotte nur, Jago«, sagte er, er nannte mich so, wenn er mich ärgern wollte, in stichelndem Ton. Und dann wurde er wieder ernst: »Spotte nur, aber vor einer Stunde, als ich das Schwert in der Hand hielt, da warst du genauso erschrocken wie dieser Garza«, er sprach ihn englisch aus, es klang wie »Gaatsa«. »Und wenn ich jetzt aus dem Wagen steigen, zum Kofferraum gehen und es erneut hervorholen würde, dann würdest du hier wieder vor Angst krepieren; und wenn ich es gegen dich erheben würde, dann würdest du losrennen, zu deiner Tür, und die Existenz von Schlüsseln verfluchen, die man aus der Tasche holen und in einen Schlitz stecken muß, man trifft nicht so leicht, wenn das Leben davon abhängt und man verzweifelt und außer Atem ist. Man schafft es nie rechtzeitig. Ich hätte dich eingeholt, bevor du geschafft hättest, sie aufzuschließen. Oder wenn du in der Lage gewesen wärst, sie zu schließen und mich mit meinem Schwert auszusperren, dann hätte die Klinge in den Spalt gepaßt und dich daran gehindert, sie zuzuschlagen. Das wissen sogar die Träume, daß man gewöhnlich eingeholt wird, und sie wissen es seit der Ilias .« Er hielt einen Moment inne und schaute zu meiner Haustür hin, er wies mit dem Finger auf sie, als könnten wir beide, in doppelter Ausführung, die von ihm beschriebene hypothetische Szene sehen, einen Mann, der wie verrückt auf sie zurennt, mit einem Satz die Stufen nimmt und versucht, in panischer Angst einen Schlüssel einzuführen; und ihm auf den Fersen ein anderer mit einem zweischneidigen »Katzenschlitzer«, einem hocherhobenen Landsknechtsschwert in der Hand. Ich spürte tatsächlich einen Schauder, ich versuchte, es zu verbergen. Mich verwirrrte seine Erwähnung der Ilias . »Es ist die

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