Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
brauchen, oder wir hätten nur wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses oder wegen deines originellen Waffenbesitzes auf dem Polizeirevier erscheinen müssen, und schon wären wir wer weiß wie spät oder früh am nächsten Morgen losgekommen.«
Vielleicht brachte mein leichter, aber wiedergewonnener Vorwurf im Ton ihn dazu, sich zu erinnern, und so machte er mir seinen, seinen Vorwurf, um meinen zu zertrümmern und aufzuheben, oder weil er ihn aufgespart hatte, und deshalb, um ihn loszuwerden, war ihm daran gelegen gewesen, mich nach Hause zu fahren. Bestimmt war es letzteres, er pflegte Fehler oder seine Unzufriedenheiten nicht zu übergehen.
»Er hätte nicht losrennen können. Er hätte auch nie gekämpft, das weißt du«, stellte er klar. »Ach, a propos, jetzt, da du mich Bertram nennst, ich wollte dir folgendes sagen.« Und sein Gesicht verhärtete sich, es mußte ihn wirklich verärgert haben. »Dreimal, dreimal, wenn nicht viermal, hast du mich heute abend vor diesem Idioten Tupra genannt. Wie konntest du, Jack? Bist du nicht bei Trost?« Und er ging sogar so weit, mir mit dem weichsten, unteren Teil seiner Handfläche einen kleinen Klaps auf die Stirn zu versetzen, als wäre er ein Sportlehrer. »Wenn ich heute abend Reresby bin, Jack, dann habe ich heute abend keinen anderen Namen, das war klar, egal was passiert. Ihr alle wißt ganz genau, daß das unter allen Umständen zwingend ist, es sei denn, ich unterrichte euch über eine Änderung. Wie konntest du so unvorsichtig sein? Dieser Kretin hat meinen Namen gehört. Andere können ihn gehört haben. Bei ihm wird das nichts ausmachen, es wird nicht schlimm sein, ihm wird dieser oder jeder andere Name egal sein, sich an mich zu erinnern, an mein Gesicht oder daran, wie ich heiße, wird das letzte sein, was er will. Er wird den ganzen Alptraum vergessen wollen, er wird nicht an Rache denken. Aber stell dir vor, es wäre dir vor Manoia herausgerutscht, für den ich immer Reresby bin, seit er mich kennt. Das sind Jahre, Jack, begreifst du das nicht? Du darfst sie nicht in einem einzigen Augenblick ruinieren, weil du aus der Rolle fällst und hysterisch wirst und vorwegnimmst, was ich tun werde oder nicht, bis du siehst, daß ich es tue, kannst du es nicht wissen, und manchmal auch dann nicht, begreifst du? Ich hätte es ohnehin nicht getan. Abgesehen davon, daß das nicht deine Sache ist, was ich tue. Du wirst bald mit mir reisen, Jack, du wirst mich ins Ausland begleiten, und es wird sicher noch mehr Reisen geben, wenn du bei uns bleibst und wir weiter zusammenarbeiten. Egal, wobei du mich siehst, misch dich nie mehr ein. Nicht auszudenken: im Fall von Manoia wären es Jahre eines ganz langsam gewachsenen Vertrauens gewesen, eines niemals sicheren, immer auf Probe gewährten Vertrauens, die in einem einzigen Augenblick den Bach hinuntergegangen wären. Oder wie, glaubst du, reagiert jemand, wenn er hört, daß ein Verhandlungspartner oder ein Sozius mit einem anderen als dem ihm bekannten Namen angesprochen wird?«
Er hatte zum Teil recht, sogar weitgehend: es war ein Fehler gewesen. Aber es war in ganz bestimmten Momenten dazu gekommen, jedesmal, wenn ich glaubte, er würde den Kretin umbringen, nicht in irgendeiner beliebigen Situation. Doch statt mich sogleich zu verteidigen, nutzte ich die Gelegenheit und versuchte, etwas in Erfahrung zu bringen (dreimal war viel):
»Ihr kennt euch also schon lange, und trotzdem hält er dich für Reresby«, sagte ich. »Das wußte ich nicht, du hast es mir auch nicht so klar gesagt. Was ist der Sismi, wenn ich das fragen darf?«
Tupra lachte, dieses Mal er allein, trocken, es kam mir fast sarkastisch vor; oder schlimmer, herablassend.
»Du darfst nicht nur«, antwortete er, »sondern du müßtest es nicht einmal. Wahrscheinlich steht es sogar in den italienisch-englischen, in deinem Fall in den italienisch-spanischen Wörterbüchern. Der Geheimdienst dort. Dienst für militärische Sicherheit und Information oder so ähnlich, es ist eine Abkürzung, auf italienisch ergibt das SISMI, s, i, s, m, i , dahinter steckt keinerlei Geheimnis. Du warst aufmerksamer, als ich geglaubt habe.«
»Aha. Muß ich daraus schließen, daß Manoia dazugehört? Ein Sklave Berlusconis also. Was für ein Unglück für die Beamten und Militärs dieses Landes, allesamt Vasallen einer Schießbudenfigur. Man ahnt seine Pailletten und das rote Satinjackett, auch wenn er sie nicht trägt. Nein, ich war nicht aufmerksam, aber dieses Wort
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