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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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häufig verwehrt wird (das heißt, indem er bei jedem Händler an die patriotische Ader appellierte, was soviel heißt wie an die dümmste), während sie in Wirklichkeit alle geradewegs, ohne irgendeinen offiziellen Zwischenstop, in der Privatsammlung seines Hauses landeten, die in stetem unverhältnismäßigem Wachstum begriffen war.
    Ich wollte nicht sogleich herausfinden, warum ich ein Schlaumeier war und mich irrte. Ich bemerkte, daß Frau Manoia ärgerlich zu werden begann. Es war völlig unnormal, daß ein lächerlicher und vielleicht schon leicht betrunkener Typ sich mitten in einem Tanz, ihrem Tanz, hinter ihrem Tanzpartner ungeschickt unseren Bewegungen anschloß und mit Stentorstimme dessen Nacken attackierte; noch unhöflicher, so wurde mir klar, daß ich dem respektlosen Subjekt geantwortet hatte, wenn auch nur mit einem einzigen unfreundlichen Satz, anstatt ihm buchstäblich auf die Füße zu treten und ihn an seine Theke zurückzuscheuchen oder noch weiter fort mit etwas gutem Willen. Dennoch wußte ich nicht recht, ob der Ärger auf mein vorübergehendes Abgelenktsein, auf De la Garzas bloßes ungewöhnliches Eindringen oder darauf zurückzuführen war, daß ich nicht sogleich eine Pause vorgeschlagen hatte, die das förmliche Kennenlernen beider ermöglicht hätte. Mir schien, daß dieser nachtschwärmerische Rafita mit seinem unbegreiflichen Aufzug eine gewisse Neugier bei ihr weckte, aber das war schwer zu sagen, es konnte auch schlicht Verblüffung sein: sie mußte, während sie tanzte, zwei Gesichter nebeneinander sehen, was ihr sicher nicht dabei half, sich inniger in meine Brust zu rammen oder sich zu konzentrieren und ihre Schritte zu genießen; ich sah, daß zudem ihr Blick ungewollt nach oben, hinter mich, abirrte, verständlicherweise abgelenkt durch dieses Accessoire eines Stierkämpfers oder Naturburschen aus dem achtzehnten Jahrhundert, bestimmt erkannte sie nicht deutlich, was es war, nicht seine unwahrscheinliche Bedeutung oder hermetische Symbolik. Oder vielleicht hatte sie vom ersten Augenblick an erfaßt, daß dieser zweite Spanier, auch wenn er sich das Haar mit einem Einkaufsnetz schmückte und das Ohr mit dem Ohrring einer Wahrsagerin befrachtete, für sie eine sichere, womöglich unerschöpfliche Quelle von Schmeicheleien war. Jedenfalls kam mir die Idee, und ich dachte in einem geistigen Anfall von Verantwortungslosigkeit und Egoismus, daß es nicht schlecht für uns wäre, den Attaché eine kurze Weile einzubeziehen, er würde die Dame mit etlichen (wenn auch unverständlichen) Bewunderungen und Komplimenten versorgen und könnte sich sogar (im wahrsten Sinne des Wortes) die Pflöcke oder Kloben zur Brust nehmen, wenn sie auf weiteren Tänzen beharrte. (Ich war in meinen Lobreden zurückhaltender als mir aufgetragen war, fürchtete ich; nicht aus übertriebener Vorsicht oder weil es mich Mühe kostete, einer so lebhaften, empfänglichen Frau zu schmeicheln, die im Grunde so leicht zufriedenzustellen war, wenn auch keine Zufriedenheit von Dauer wäre und ständig genährt werden müßte, sondern weil Sätze, die carine oder tenere sind, mich sehr rasch langweilen und anwidern durch ihre Eintönigkeit, egal ob ich sie im Roman lese oder im Film höre, sie im Leben ausspreche oder man sie mir zukommen läßt.) Wie auch immer, es genügten vier Wörter von Flavia Manoia, um mir darüber klar zu werden, daß die Szene so, wie sie sich abspielte, unhaltbar war und es Zeit wurde, unverzüglich die gegenseitige Vorstellung in Angriff zu nehmen. Und ich sah mich darin vollends bestätigt, nachdem ich aus dem Augenwinkel beobachtet hatte, daß Manoia, dem Tupra lange Argumente oder Vorschläge ins Ohr flüsterte, mehrmals fragende, wenn nicht inquisitorische Blicke auf die Tanzfläche geworfen hatte, seitdem De la Garza uns bedrängte, für ihn ein völlig Fremder mit zudringlichem Gebaren, der auf ihn darüber hinaus ohne weiteres verkommen wirken konnte.
    »Mah«, sagte Flavia zuerst, und das ist im Italienischen immer ziemlich vieldeutig, es kann Übereinstimmung anzeigen, Widerspruch, leichtes Interesse, leichten Unmut, Verständnislosigkeit, Zweifel oder kündigt nur einen Schlußpunkt an und daß man zu etwas anderem übergeht. Und fügte dann hinzu: »Chi sarebbe, lui?« Das genügte mir, um den Tanz zu unterbrechen und mich mit größter Sanftheit und Behutsamkeit von der Palisade abzuseilen, aber sie stellte mir noch eine weitere Frage, bevor ich die Namen verkündete: » E cosa

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