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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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vuol dire, Mausi?« Sie konnte kaum etwas verstanden haben von dem, was dieses schwarze Schaf der Halbinsel von sich gegeben hatte (obwohl es heutzutage in Wirklichkeit so viele gibt, daß sie fast die Norm sind und damit keine schwarzen Schafe), aber vielleicht hatte sie erahnt, daß sich dieses eingängige Wort auf sie bezog; daß es auf sie gemünzt war, und das in ziemlich dröhnendem Ton.
    »Rafael de la Garza, von der spanischen Botschaft in London. Señora Flavia Manoia, eine wunderbare italienische Freundin.« Ich benutzte ihre Sprache, um sie einander vorzustellen, ich nahm die Gelegenheit wahr und brachte ein Kompliment unter; dann fügte ich auf spanisch hinzu, das heißt, nur für Rafita und um ihn zu warnen oder zur Mäßigung anzuhalten (ein vielleicht nutzloses Unterfangen): »Da ist ihr Mann, da hinten, eine sehr einflußreiche Person im Vatikan.« Ich hoffte, ich würde ihn beeindrucken. »An dem Tisch da mit Señor Reresby, du erinnerst dich doch an Señor Reresby, nicht wahr? Das Abendessen bei Sir Peter, ja?« Er würde sich nicht daran erinnern, daß Tupras Name zu Hause bei Wheeler Tupra gewesen war, dessen war ich mir gewiß.
    »Ach, wie jung, euer Botschafter«, antwortete sie ebenfalls in ihrer Sprache, während man ihr die Hand drückte. »Und wie modern auch, sehr kühn sein Stil, nicht wahr? Da kann man mal sehen, wie euer Land sich in allem erneuert hat. Wirklich in allem.« Und sie beharrte weiter auf der Mausi, sie hatte Lust bekommen, es zu wissen. »Aber sag mir doch, was ›Mausi‹ heißt, komm, sag’s mir.«
    De la Garza redete gleichzeitig auf mich ein (jeder schrie mir in ein Ohr und jeder in seiner Sprache), während er zu lange die Hand der Dame in seinen beiden hielt, das heißt, während der ganzen Reihe beleidigender Ausdrücke und Obszönitäten, die Reresbys Anblick und die Erinnerung an ihn seinem Mund entströmen ließ, kaum daß er ihn erkannt hatte, und der ich nicht ganz folgen konnte, von der ich jedoch ein paar Worte, Satzfetzen und Begriffe auffing: »Scheißkerl«, »Löckchen«, »lange Tussi«, »Nutte«, »zeigte mir den Slip«, »sie zogen ab«, »ein Walroß«, »er hat ihr die Rettungsringe gerieben«, »speckiges Sofa«, »vielleicht hast ja du ihn ihr runtergerissen«, »Tarnung«, »Scheißzigeuner«, »falsche Schlange«, »scheiß drauf« und zum Schluß eine Frage: »Hast du sie bei lebendigem Leib entschlüpfert?« Nach dieser raschen Serie bezog er sich einen Augenblick auf die Gegenwart:
    »Wer, hast du vorhin gesagt, bellt hier? Dieser steile Zahn? Verdammt, was für Bollwerke.« Sein Vokabular war oft schülerhaft und antiquiert, wenn er besonders ordinär sein wollte. Er hatte indes bemerkt, daß der Angriff gewisse Schwierigkeiten bot. Dagegen hatte er sich wohl nicht die Frage nach ihrer offensichtlichen Künstlichkeit gestellt (Menschenwerk), er unterschied nicht und verlor sich nicht in unbedeutenden Einzelheiten. Dann wechselte er kurz zu einem salbungsvollen Ton und wandte sich an Flavia, um ihr zu schmeicheln: »Es ist mir das größte Vergnügen, Señora, und meine Bewunderung ist noch größer.« Das wurde nun ohne weiteres verstanden, crystal-clear für jeden Italiener.
    Jedenfalls war seine Sprechweise vulgär wie immer oder vielleicht sogar schlimmer geworden (zügellose Nächte fördern das noch, besonders solche der anstrengenden Pirsch), obwohl ich den Ausdruck »eine Tussi bei lebendigem Leib entschlüpfern« nie zuvor gehört hatte. Er war auffallend unflätig als Euphemismus, aber zweifellos war er ein solcher, so daß man es ihm trotz allem möglicherweise danken mußte. Ein Glück, daß keiner von denen, die mit mir gekommen waren, seine brutal-derben Ausdrücke verstand.
    Ich bereute meine egoistische Schwäche schon mehr oder weniger (ich hätte uns verleugnen müssen, ihn oder mich oder beide, »du hast mich nie gesehen, ich weiß nicht, wer du bist, du kennst mich nicht, du hast nicht mit mir gesprochen, und ich habe dir nichts gesagt, für mich hast du kein Gesicht, weder Stimme noch Atem, noch Namen, so wie ich für dich nicht einmal Nacken oder Rücken habe«), als Tupra mir ein Zeichen machte, damit ich zu seinem Tisch zurückkehrte, er hatte Manoia so viel zu erklären, daß er mich zwangsläufig jeden Augenblick als Dolmetscher benötigen würde, das war absehbar, damit ich sie aus irgendeinem Stau befreite. Ich wußte nicht, ob ich die Dame mitnehmen sollte und damit auch Rafita, der jetzt nicht mehr so schnell von

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