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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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verfallen.
    »Wirklich? Addirittura .« Auch dafür gibt es kein genaues Äquivalent in meiner Sprache.
    »Und jetzt, wenn du erlaubst, heißgeliebte und über alles bewunderte Flavia« – zumindest warf ich mit Superlativen um mich, die häufiger sind in ihrer Sprache –, »lasse ich dich einige Minuten in der besten und schicksten Gesellschaft. Sie verlangen nach mir, unsere Freunde.«

D ort ließ ich sie zurück, wenn auch zu Füßen der dunklen Pferde und in der pseudoschwarzen Höhle des Löwen und vor dem grausigen Graben der Krokodile, im Vertrauen darauf, daß ihr Ehemann und Tupra mich nicht zu lange zurückhalten würden, ich fühlte mich verantwortlich für die Nacht der Dame, für ihr Wohlbefinden und ihre Zufriedenheit, ich wollte, daß ihre zehn Armreifen weiterhin klirrten. Während ich auf die beiden zusteuerte, sah ich, daß De la Garza das Tanzen einstweilen hintanstellte und sich entschloß, sie an seinen Tisch zu führen, der nicht weit entfernt war von unserem, an den Tisch seiner lauten, mehrheitlich spanischen Freunde, und das beruhigte mich zum Teil, sie blieben für uns sichtbar, und er würde ihr dort nicht so schöntun können, wie allein mit ihr beim Tanzen (es gab in der Gruppe zwei Frauen, und viele meiner Landsmänninnen ertragen Konkurrenz eher schlecht, auch wenn sie imaginär ist und nicht im entferntesten gegeben, weil eigentlich unmöglich: beide dürften zwanzig Jahre jünger sein als meine Frau Manoia, welche sie indes in die Tasche gesteckt hätte, wenn sie ihnen ohne diese zwanzig Jahre Unterschied auf dem Buckel begegnet wäre. ›Luisa ist nicht so‹, ging mir durch den Kopf, ›sie konkurriert gewöhnlich mit niemandem, und wenn jemand kommt und sich mit ihr messen will, dann tritt sie zurück. Vielleicht, weil sie selbstsicher ist, oder weil es ihr genügt, so zu sein, wie sie ist. Vielleicht bin ich nicht anders‹). Ich sah, daß der Mitmacher, der den Musikliebhaber mimte, jetzt ganz still nah an seinem eigenen Ohr rhythmisch klatschte, die Hände hohl und vorsichtig, die Augen heftig geschlossen, im vollen Bewußtsein seiner intensiven Pose und sogar ein leidvolles Trällern auf den Lippen (vermutlich eine verdammt komplizierte weil verdammt tiefe andalusische Weise, sein Gesicht hatte den ekstatischen, gequälten Ausdruck eines willigen Märtyrers), eingetaucht in Melodien, die sich nicht im mindesten hergaben für derlei Gipfel der Verzweiflung, vielleicht hatte er eine andere im Kopf mit unglaublicher Konzentration und Ausdauer oder hörte sie tatsächlich – daher taub für die der Diskothek – über winzige verborgene Kopfhörer, wie sie wahrscheinlich mein tanzender Nachbar von gegenüber bei seinem Gehüpfe benutzte. Sein Gesicht wollte mir bekannt vorkommen, sehr bäuerlich, trotz der barocken Lockenfrisur, die versuchte, den Eindruck zu mildern oder sogar zu verleugnen, das Haar wild gefärbt in irrwitzigem Schwarz; mir war, als sei er ein sehr berühmter wesentlicher Schriftsteller, er konnte an jenem Abend im Cervantes-Institut geredet haben, von De la Garza eigens von der Halbinsel herübergeholt, und ich hätte ihn verpaßt, einen meisterhaften Vortrag oder eine betörende Rezitation, was für ein großes Versäumnis von mir. Er wirkte auf mich vollkommen abnorm, und er merkte natürlich nichts von Flavias Eintreffen an seinem Tisch, vertieft wie er war in das Händeklatschen seiner Klage; die anderen erhoben sich nicht einmal, als Rafita die Vorstellung übernahm, mit Ausnahme eines Mannes, der vielleicht Brite war, seiner Erscheinung wegen und weil er gewisse Umgangsformen bewahrte, dort dauert es etwas länger, bis man sie alle für verzichtbar hält. Der Attaché hieß die Gesellschaft mit despotischer Geste zusammenrücken, um ihnen Platz zu machen, ich sah, wie die beiden sich hinsetzten, ziemlich eng beieinander (bestimmt berührten sich ihre Beine, Frau Manoia rutschte der Rock etwas hoch – soll heißen: etwas zu sehr –, vielleicht erregte das ihren Verehrer), bevor ich das gleiche unbeengt auf einem Stuhl links von Reresby tat, er zog es vor, die Leute, wenn möglich, auf dieser Seite zu haben, er hörte besser mit diesem Ohr oder sah besser mit dem rechten Auge, stellte ich mir vor.
    Er fragte mich sofort, wie auf italienisch vier oder fünf Wörter hießen, die er vorsorglich auf dem Bierdeckel notiert hatte und an denen Manoias vokabelarmes Englisch vermutlich gescheitert war. Eines davon war vows , seltsamerweise, oder genauer

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