Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
Stierkampfmilieu; aus dem achtzehnten Jahrhundert, glaube ich, oder vielleicht früher.« Ich schaute voll Groll auf Rafita. Aus der Entfernung erinnerte er mich an das Selbstbildnis von Luis Meléndez, das im Louvre hängt, wenn auch in einer heruntergekommenen, lasterhaften Version; und was der Maler auf dem Haar trägt, ist nicht vergleichbar: ein Tuch, wenn ich mich nicht irre, das nach Art eines Lorbeerkranzes gewunden ist oder diese Wirkung hervorzurufen sucht. Er sprach lebhaft und laut, er schwadronierte oder erzählte Witze (entweder-oder), Frau Manoia dürfte nicht einmal die Hälfte mitbekommen, aber er wandte sich auch an die anderen, vor allem an eine junge rotblonde Frau mit ständig angewidertem Gesichtsausdruck, dieser Ausdruck kommt häufig vor bei Spanierinnen betuchter Herkunft, die im allgemeinen jeder Attraktivität entbehren und blaß sind, bei uns ist gewöhnlich ein dickes Fell nötig, um eine autochthone Geldheirat zustande zu bringen. Ich nahm an, daß Rafita dazu bestimmt war; aber er hatte gewiß keine Eile, er war noch voll Eifer, unerfahren, ein Sammler, sicher wollte er noch durch viele furchteinflößende Betten gehen, besetzt von haltlosen weiblichen Doppelgängern des unvergeßlichen Schauspielers Robert Morley oder von hemmungslosen Scheinzwillingen Peter Lorres, die er in der trunkenen nächtlichen Kapitulation begehren würde, um dann im Augenblick des morgendlichen Katzenjammers vor sich selbst und vor ihnen zu erschrecken. »Mit einem Wort«, fügte ich hinzu, nunmehr der vielen Rücksichten überdrüssig, »er ist ein guter Junge, aber ein bißchen dämlich.« Das Wort war mir weiter im Kopf herumgegangen; ich versuchte herauszufinden, ob es ähnlich wie das spanische mameluco im Italienischen existierte, bei den verschwisterten Sprachen ist alles möglich, und man kann nie wissen.
»Un po? Eh. Mammalucco totale. Eh. Questo si vede, eh«, korrigierte Manoia mich, und ich war einverstanden, er war es ganz und gar und vollkommen. Obwohl ihm in Wirklichkeit über die Lippen kam: »Mammaluggo dodale« , er schien nicht imstande, seine verkürzten konfusen Vokale oder seine unveränderlich stimmhaften Konsonanten zu verbessern, ich fragte mich, ob er auch so liederlich mit den zartbesaiteten Mitgliedern der römischen Kurie sprach, ich hatte mir in den Kopf gesetzt, daß ich es mit einem Ehepaar von Untergebenen des Vatikanstaates zu tun hatte, es mußte auch welche geben, die keine Kardinäle oder Bischöfe oder Kaplane oder Meßdiener oder Neffen des Papstes waren. »Außerdem, so jung ist er nicht für diese Albernheiten«, sagte er, jetzt in seinem schlecht artikulierten Englisch, um Reresby nicht aus unseren Kommentaren auszuschließen. »Dieser Hanswurst wird doch wohl schon dreißig sein, nicht, Reresby?«
»Einunddreißig«, antwortete Tupra, als wisse er Bescheid. Und er fügte hinzu, um sich von dem zu distanzieren oder zu befreien, was ich angedeutet hatte: »Ich habe nie mit ihm gesprochen, ich kenne ihn nur vom Sehen, von damals, in Oxford. Frauen machen ihn nervös, das habe ich allerdings bemerkt.« Ich war nicht sicher, ob er mir mit dieser Bemerkung zu verstehen gab, ich solle aufpassen, oder dem Ehemann, er solle Flavia unverzüglich retten und sie nicht etwaigen späten Kindereien aussetzen, sie enden böse, wenn die Nacht schon im Rückzug begriffen ist.
Und dann forderte Tupra wieder Manoias Aufmerksamkeit. Er näherte seine fleischigen Lippen erneut dessen Ohr und fuhr fort, ihm zu erklären oder ihn zu überzeugen oder zu bitten oder anzustiften. Ich hörte nicht zu, ich überwachte mit einem Auge den spanischen Tisch, mit dem anderen warf ich ihnen rasche Blicke zu, für den Fall, daß sie mich brauchten, zu mir drangen ab und zu Fetzen ihres Gesprächs, wenn die Musik ein wenig leiser wurde oder der eine oder der andere verstärkt die Stimme hob, einzelne Worte und dieser und jener Eigenname. Ich hegte keine Zweifel, daß Tupra am Ende aus Manoia herausholen würde, was immer er von ihm wollte, eine Verpflichtung, eine Hilfe, ein Bündnis, ein Geheimnis, einen Kauf, einen Verkauf, ein Privileg, einen Plan, einen Verrat oder irgendeine saubere oder schmutzige Arbeit. Ich habe ihn immer als den überzeugendsten Menschen der Welt gesehen, das hatte ich außerdem am eigenen Leibe erfahren, und so etwas trägt in hohem Maße zur Verfestigung unserer Überzeugungen bei. Doch über meine partiellen Eindrücke hinaus war es sicher, daß diese seine verhaltene
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