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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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to take the vows ; ein anderes war toadstool , genauso merkwürdig in anderer Hinsicht; ein drittes war nipples , das nicht zur Erhellung beitrug. Es war normal, daß Manoia sie nicht kannte, aber weniger, daß Tupra nicht auf Alternativen oder Annäherungen zurückgegriffen hatte, um sie ihm verständlich zu machen, oder sogar auf Zeichen im letzten Fall (vielleicht war er trotz des Namens zu englisch dafür). Zum Glück hatte ich sie zuvor gelesen oder gehört und konnte Äquivalente für sie suchen ( pronunciare i voti , hier hielt ich mich an das Spanische; funghi, piuttosto quelli venenosi , hier brauchte ich die Erklärung; capezzoli , riskierte ich: ich erinnerte mich, daß es auf der drittletzten Silbe betont wurde, aber ich war nicht sicher). Meine Neugier war nicht geweckt, ebenfalls zum Glück. Ich hoffte jedoch, daß die Brustwarzen, capezzoli oder nipples in keinem Fall die von Frau Manoia waren, jeder Bezug auf sie wäre mir peinlich erschienen (auch wenn er nur medizinisch gewesen wäre oder sagen wir pathologisch), nachdem ich wie von zwei Pfeilen aufgespießt worden war und noch immer ihre Stichwunde in meiner Brust fühlte. Ich schickte mich an, wieder zu ihr zu gehen, nachdem meine Arbeit als wanderndes Wörterbuch getan war; aber Tupra hielt mich mit einer Geste zurück, er zeigte mir die Innenfläche der Hand, als wollte er mir mitteilen: »Warte, wir können dich noch immer benötigen.« Manoia nutzte die Pause dieser Rückfragen (er reagierte nur bei der dritten und nüchtern: »Ah, gabezzoli «, wiederholte er mit seiner nicht römischen, sondern eher südlichen Aussprache), um sein bläuliches, langes Kinn zu heben und mit gutsitzender, vom Daumen gehaltener Brille zu dem Tisch zu schauen, der seine Frau mit so großer und so spanischer Achtlosigkeit aufgenommen hatte.
    »Wer sind die«, fragte er mich in seiner Sprache, in verächtlichem und mißtrauischem oder fast verärgertem Ton.
    »Spanier; Schriftsteller, Diplomaten«, antwortete ich, wobei mir klar war, daß ich nicht die geringste Ahnung hatte und mir sämtliche Namen unbekannt waren, der des berühmten und wesentlichen klatschenden Autors lag mir auf der Zunge (aber ohne mir über die Lippen zu kommen). »Der junge Mann da ist von meiner Botschaft, Herr Reresby kennt ihn ebenfalls.« Dann wandte ich mich auf englisch an Tupra, um ihn einzubeziehen und ihm vorsichtshalber einen Teil der Verantwortung aufzuladen. »Du erinnerst dich doch an den jungen De la Garza, nicht wahr? Er war bei dem Abendessen damals in Oxford, er ist der Sohn von Don Pablo de la Garza, der hier während des Krieges sehr geholfen hat und viele Jahre Botschafter Spaniens in afrikanischen Ländern war.« Mir war der absurde Gedanke gekommen, daß die Information über die Abstammung sie beruhigen würde. »Ein guter Junge, sehr aufmerksam.« Und letzteres wiederholte ich Manoia auf italienisch, vielleicht glaubte er es mir ja so (»Un bravo ragazzo, molto premuroso«), während ich auf spanisch dachte, ohne es verhindern zu können: ›Ein großer Tölpel, ein Dummkopf und eine Nervensäge.‹
    Trotz der Reflexe seiner Brillengläser sah ich einen Moment lang den ausweichenden Blick, weil er ihn ein wenig länger als gewöhnlich auf Rafita und dessen Clique ruhen ließ. Ich gewahrte Spott darin, Bissigkeit, auch etwas Groll, so als hätte er in ihnen eine Sorte Menschen erkannt, denen er von alters her Rache geschworen hatte. Ja, er wirkte wie ein Mann, der fähig war, selbst über minimale Provokationen in Wut zu geraten, aber wenn sie aus ihm hervorbräche, dann sicher, ohne daß etwas sie ankündigte, ohne daß man sie vorhersehen oder gar vermeiden könnte. Ein lauer Zorn; von ihm kontrolliert und dosiert; er würde ihm Einhalt gebieten können, selbst wenn er bereits entfesselt wäre; verwirrend für die anderen. Das war er. Das war in ihm. Aber Tupra hatte zweifellos recht damit, daß er ihn auch nach außen tragen konnte.
    »Und was hat er da auf dem Kopf, eine Mantille?« fragte Manoia, jetzt mit offener Verachtung. »Hat er etwa vor, im Morgengrauen zur Messe zu gehen?«
    »Na ja, Sie wissen doch, daß die jungen Leute heutzutage seltsame Sachen anziehen, wenn sie abends ausgehen, sie möchten gerne originell sein, sich unterscheiden.« Es war wahrlich ein Hohn, daß ich mich genötigt sah, die Wichtigtuerei zu rechtfertigen und die Albernheit zu verteidigen. »Es ist ein archaisches, aber sehr spanisches Kleidungsstück; genauer gesagt, aus dem

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