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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Pferderennen und schaute von hinten, von weiter drinnen, vor ihren Blicken geschützt, mir war, als hätten sie die Begleitmusik gewechselt, danach zu urteilen, wie sie sich jetzt bewegten (sie waren wieder mit sich befaßt nach meinem Verschwinden und meiner Flucht), also nahm ich das Stück aus meinem CD-Player und ersetzte es durch eines aus Im Zeichen des Bösen , das Background for Murder hieß, es war überhaupt nicht düster trotz des Titels, »Hintergrund für einen Mord«. Aber ich vertat mich, als ich es im Dunkeln oder im nur sparsamen Licht der Mondlaternen programmierte, und an seiner Stelle erklang unerwartet ein völlig andersartiges, kein Jazz mehr, sondern ein Pianola, Tana’s Theme sein Titel, das sah ich später auf der Rückseite der CD, ein Stück aus dieser Filmmusik und diesem Film, an das ich mich schlecht erinnern konnte (mehr vergessen der Film, ich sollte nicht länger warten und mir einen DVD-Player kaufen, ich sah kaum Filme dort in London), obwohl mir mit den Tönen, die denen einer Drehorgel glichen, allmählich die Gestalt einer schwarzhaarigen, reifen Marlene Dietrich aus dem Nebel entgegentrat, verkleidet als Kartenlegerin oder etwas Ähnliches, die ebenfalls – noch unwahrscheinlicher, aber auch ihr nahm man es ab – die Rolle einer Mexikanerin oder was weiß ich spielte, vielleicht die einer vaterlandslosen Zigeunerin in der Grenzstadt, besagte Tana des Themas.
    Es war eine melancholische und für eine einzelne Person wenig tanzbare Musik, eine Abschiedsmusik, und sie hatte nichts zu tun – stimmte überhaupt nicht überein – mit den großen Schritten und Sprüngen, die meine Nachbarn jetzt in der Ferne vollführten, obwohl ich sie durch mein Glas aus der Nähe sah. Ich ließ die Melodie jedoch erklingen, ich hörte ihr weiter zu, Drehorgeln lassen mich immer an meine Kindheit denken, sie waren damals häufig in Madrid, noch heute kann man die eine oder andere sehen, aber es ist nicht mehr dasselbe, sie sind kein natürlicher Bestandteil der Landschaft, sondern eine Touristenattraktion, jetzt entspringen sie einer Intention; und während ich diese zufällig auf meinem CD-Player programmierte Drehorgel hörte, die sich wieder und wieder bedächtig und ruhig wiederholte (gleich einem echten Pianola, dessen Klaviatur sich von allein bewegt, wie von Gespensterfingern gespielt), traten mir Bilder meiner damaligen Straßen vor Augen, der Calle Génova und der Calle Covarrubias und der Calle Miguel Ángel, das Bild von vier Kindern, die mit einem alten Dienstmädchen oder mit meiner jungen lebendigen Mutter (beide ebenfalls schon Gespenster) durch diese Straßen gingen, meine Geschwister und ich, die drei Jungen und das Mädchen, sie an meiner Hand, an meiner Seite, sie die kleinste und ich der nächste in der Reihenfolge, sicher hatte uns das verbunden.
    ›Wie seltsam, daß es sich um dasselbe Leben handelt‹, dachte ich. ›Wie seltsam, daß ich derselbe bin, der kleine Junge mit seinen drei Geschwistern und der Mann, der hier im Halbschatten sitzt, mit eigenen, fernen Kindern, die er niemals sieht, ein wenig allein hier in London.‹ »Wie kann ich derselbe sein?« hatte Wheeler sich im Garten seines Hauses am Ufer des Flusses gefragt, kurz vor dem Mittagessen, an jenem Sonntag. Wie konnte jener alte Mann – sagte er sich, sagte er mir – derselbe sein wie der, der mit einer sehr jungen Frau verheiratet gewesen war, die das immer geblieben ist, denn so jung war sie gestorben? Peter hatte es vorgezogen, die Geschichte zu vertagen (»Wie ist Ihre Frau gestorben, woran ist sie gestorben«, hatte meine Frage gelautet), sicher auf einen Tag, der nie kommen würde oder nicht auf Erden, sondern allenfalls dann, wenn endlich das Gericht stattfände: es war offensichtlich, daß es ihn Mühe kostete, darüber zu sprechen, oder daß er nicht wollte. Ich dagegen erkannte mich durchaus in demjenigen wieder, der nach der Rückkehr vom Aufenthalt in England, den man jetzt den ersten nennen mußte, Luisa geheiratet hatte, die Hochzeit fand nicht sehr viel später statt. Es waren Jahre vergangen, aber nicht so viele, und im Unterschied zu dem, was Wheeler mit seiner Frau Val oder Valerie widerfahren war, hatte Luisa mich fast alle Tage in meinem allmählichen Älterwerden begleitet, zumindest war das so gewesen bis zu meiner Vertreibung und Verbannung. Mir wurde klar, daß meine Leichtigkeit an jenem Abend sich mehr noch als der Musik oder dem absichtslosen Tanzen dem ganzen Gespräch

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