Dein Glück hat mein Gesicht (Junge Liebe) (German Edition)
rührte sich nicht. Ihre Augen sahen starr zu
Boden.
„Du hast noch acht Wochen Zeit, um es dir zu
überlegen“, fuhr Dr. Kress fort. „Ich bitte aber darum, dass du
dich rechtzeitig bei mir meldest, wenn du dich entschieden
hast.“
Dann reichte sie ihr ein kleines, blaues Heftchen.
„Vorsorglich habe ich schon einen Mutterpass für dich
angefertigt. Es wäre gut, wenn du den immer bei dir trägst.“
Nun sah Francis auf, und als sie das Heft vor ihren
Augen erblickte, verzog sie das Gesicht.
„Das brauche ich nicht.“
Ohne weitere Worte stand sie auf und verließ das
Arztzimmer.
„Sie ist durcheinander“, schaltete sich Neal ein, um das
Verhalten seiner Schwester zu entschuldigen. Er erhob sich
und griff nach dem Mutterpass. „Ich steck das so lange ein.“
Er versuchte ein Lächeln, was ihm deutlich schwerfiel.
„Wenn sie sich dagegen entscheidet“, sagte er mit leiser
Stimme, „wie wird das denn vor sich gehen?“
„Wir werden sie stationär aufnehmen müssen, dann wird
der Embryo entfernt. Sie kann selbst entscheiden, ob sie
Vollnarkose oder nur örtliche Betäubung möchte.“
Neal nickte, doch Dr. Kress bemerkte sofort, wie blass er
wurde, und wie unsicher.
„Ihre Eltern müssen davon natürlich nichts erfahren.“
Neal schluckte. „Vielen Dank. Wir werden uns wieder
melden.“
Als die Geschwister gegangen waren, ließ Dr. Kress den
nächsten Patienten nicht sofort hereinrufen. Stattdessen sah
sie aus dem Fenster, wo sie Neal und Francis zum Auto
gehen sah. Vor dem Wagen blieben sie stehen. Neal
umarmte seine Schwester tröstend, doch ihm selbst war die
Verzweiflung in das Gesicht geschrieben. Die Ärztin merkte
jetzt schon, dass da irgendetwas nicht stimmte.
Neal war nun schon eine Weile gefahren. Sowohl er als
auch Francis brachten keinen Ton hervor, und Neal wusste
selbst nicht, wohin er fahren sollte. Nach Hause wollte er auf
keinen Fall. Er war ziemlich erleichtert, als er Francis hörte,
wie sie „Ich hab Hunger“, von sich gab. Sofort schlug Neal
den Weg zu McDonald’s ein, wo er ohne Worte ausstieg und
Burger, Pommes und Cola kaufte.
Als er sich wieder in den Wagen setzte, riss Francis das
Essen sofort an sich und schlang es wie ausgehungert in sich
hinein. Neal hingegen nahm nur ein paar Pommes frites und
biss lustlos darauf herum.
Doch schließlich konnte Neal diese bedrückende Stille
nicht mehr ertragen. „Ich will dir nicht reinreden“, fing er an,
„immerhin ist es dein Körper.“ Er sah kurz auf seine Hände,
welche die Pommestüte fest umklammerten, dann blickte er
neben sich, um seine Schwester direkt ansehen zu können.
„Aber du musst daran denken, was so ein Kind in deinem
Alter alles mit sich bringt. Denk an Mum und Dad, an die
Schule, deine Freunde, was die alle sagen werden.“
Er sah wieder nach vorne und fuhr sich über das
Gesicht. Man sah ihm deutlich an, wie schwer es ihm fiel,
darüber zu reden, und doch zermürbte ihn ein Gedanke am
meisten.
„Man muss damit rechnen, dass das Kind vielleicht nicht
ganz okay ist.“ Er kniff die Augen zusammen. So verzweifelt
hatte Francis ihn noch nie gesehen. „Ich meine, wir sind
Geschwister, unsere Gene ...“
„Das musst du mir nicht erklären“, lenkte Francis
ein. Sie unterbrach ihren Essanfall und wirkte plötzlich sehr
gefasst. „Ich habe acht Wochen Zeit – ich werde mir das alles
genau überlegen.“
Neal nickte. „Das ist in Ordnung.“ Er startete den
Wagen. Sein Geist malte sich sofort wieder einen Plan
zusammen. „Wir sagen Mum und Dad vorerst nichts. Du
überlegst in Ruhe. Und ich?“ Er seufzte. „Ich hoffe, du hast
nichts dagegen, wenn ich mich aus der Sache erst einmal
raushalte. Sei nicht sauer, wenn ich öfter unterwegs sein
werde.“
Er fuhr Richtung Landstraße. „Ich muss den Kopf frei
behalten, sonst bin ich dir bald auch keine große Hilfe mehr.“
Es roch wunderbar nach Kaffee, als Neal erwachte.
Kaum hatte er sich auf den Rücken gedreht, konnte er auch
das Aroma von frischen Brötchen wahrnehmen. Für einen
kurzen Moment war er froh darüber, dass er bei André
unterkommen konnte. Der hatte ihn quasi mit offenen Armen
aufgenommen, wenn auch der Grund dafür, dass Neal nur
vor seinen familiären Problemen flüchten musste, beiden
bewusst war.
Aber André bemutterte ihn hervorragend, und Neal
konnte endlich ein wenig abschalten und seine Gedanken
ordnen. Doch gerade, als er das zufrieden bemerkte, sprach
André ihm ins
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