Dein Glück hat mein Gesicht (Junge Liebe) (German Edition)
da lag mir die Welt zu
Füßen.“ Er sah zur Seite, und sein nachdenklicher Blick
schweifte ab. „Damals war ich glücklich, verliebt und frei.“
Plötzlich verdunkelte sich sein Gesicht. „Und es ging so
schnell zu Ende mit dem Glück.“ Dann schüttelte er den Kopf.
„Ich werde nie begreifen, wie ein einzelner Mensch so viel
zerstören kann.“ Verbissen zog er an seiner Zigarette.
„Redest du wieder von deinem damaligen Freund?
Diesem Dirk?“ 2
Kaum hatte André den Namen ausgesprochen, sah Neal
auf.
„Ohne diesen Dirk hätte ich meine schwule Neigung
vielleicht nie bemerkt!“, zischte er. Es klang hart, aber wenig
überzeugend. Neal lächelte verkrampft. „Vielleicht wäre ich
wieder mit Sadie zusammen, hätte ich Dirk nicht
kennengelernt. Vielleicht hätte ich meine Schwester nicht
geschwängert? Vielleicht wäre ich ein ganz normaler Mann,
auf den die Mutter stolz sein könnte?“ Er schloss kurz die
Augen und dachte an Stephanie, die seine homoerotischen
Gelüste zutiefst ablehnte. Er war sich sicher, dass sie diese
Neigung nie akzeptieren würde. Da könnte es noch so viele
schwule Models in der Anderson Firma geben – für
Stephanie war Homosexualität stets ein Manko gewesen.
Und bei ihrem eigenen Sohn konnte sie diese Vorliebe erst
recht nicht akzeptieren.
Neal fuhr sich über das Gesicht. Seine Hände zitterten.
Sofort führte er die Zigarette wieder zum Mund. Jeder
Fremde hätte ihm ansehen können, wie unzufrieden und
mutlos er war.
Dennoch blieben André einige Zweifel.
„Ich glaube nicht, dass die Geschichte mit diesem Dirk
etwas mit Francis zu tun hat.“
„Und ob!“, konterte Neal so laut, dass sich einige der
anderen Gäste umdrehten. „Ich weiß doch gar nicht mehr, wo
ich stehe, seitdem das passiert ist!“ Wütend verzog sich sein
Gesicht. Ebenso energiegeladen drückte er seine Zigarette
aus. „Mit Männern kann ich mich nicht mehr richtig einlassen
– habe voll die Blockaden.“ Er zeigte sich an den Kopf, als
würde er dort nicht richtig funktionieren. „Frauen interessieren
mich nur oberflächlich. Und was ich für meine Schwester
empfinde ...“ Er sah frustriert zu Boden. „Das darf man doch
keinem erzählen.“
Eine bedrückende Stille baute sich zwischen ihnen auf,
bis Neal Andrés weiche Hände auf seinen spürte.
„Du liebst eben das Risiko“, sagte der, um seinen
Freund zu trösten. „Und gerade deswegen willst du zurück.
Ein Normalbürger würde sich das alles nicht zutrauen.“
Er nickte, um seiner eigenen Aussage noch mehr
Glauben zu schenken. Neal konnte dagegen nur müde
lächeln. „Danke für deine Worte “, sagte er. „So habe ich
wenigstens das Gefühl, nicht alleine verrückt zu werden.“
2 Justin C.Skylark, „Liebeswut“, Himmelstürmer Verlag, Frühjahr 2005
Das schönste Weihnachtsgeschenk für Neal war dann
schließlich der morgendliche Anruf von Richard. Mit der Post
kam die endgültige Zusage der Narcotic Records.
„Wann meinst du, können wir zusagen?“ Richard war
hörbar aufgeregt.
„So schnell wie möglich“, antwortete Neal. Er schielte
dabei zu seiner Schwester, die den Weihnachtsbaum in der
Bibliothek schmückte. Sie sah aus wie ein Kind. Das blaue,
weite Umstandskleid spannte sich über ihren dicken Bauch,
was fast schon ein wenig grotesk erschien.
„Es wäre gut, wenn wir sie noch bis Februar hinhalten
könnten.“ Neal dachte an den Geburtstermin. Er sprach leise,
damit Francis nichts mitbekam.
„Und dann sollten wir sofort mit den Aufnahmen
beginnen.“
Es war zehn Wochen später in der Nacht, als Francis
erwachte und heftige Rückenschmerzen verspürte. Als sie
sich vorsichtig aufrichtete, wurden die Beschwerden nicht
besser – im Gegenteil. Hinzu kam ein starker Druck im
Unterleib, der sie regelrecht zum Aufstehen zwang. Und als
sie im Badezimmer stand, merkte sie, wie es feucht an ihren
Beinen herunterlief. Verzweiflung machte sich breit.
Stephanie und Peter waren erneut auf Geschäftsreise.
Sie wollten erst in zwei Tagen zurück sein. Die neue
Haushälterin Carla war nicht im Haus, und Neal wohnte bei
André.
Mit Schweißperlen auf der Stirn setzte sich Francis auf
die Toilette. Ihr wurde schwindelig, und unter intervallartigen
Schmerzschüben begann sie sich zu reinigen, um danach
frische Kleidung anzuziehen.
Sie hatte schon alles für den Notfall bereitgelegt, auch
die Tasche für das Krankenhaus stand gepackt in der Ecke.
Dass die Wehen eine Woche zu früh
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