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Dein goettliches Herz entflammt

Dein goettliches Herz entflammt

Titel: Dein goettliches Herz entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Keaton
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Mal abgesehen davon, dass er ein Idiot ist und ziemlich gut trommeln kann.
    »Sebastian redet nicht gern darüber, aber er kann Leute lesen, verstehst du? Er fühlt, was sie fühlen. Manchmal zu stark.«
    Die Trommeln schlugen immer noch, allerdings nicht mehr so wild wie eben, nicht mehr so schnell. Jetzt war es ein gleichmäßiger, langsamer Rhythmus, in dem Gefühle mitschwangen. Anders ließ es nicht beschreiben. Ich hörte nicht nur die Trommelschläge, ich hörte mehr, viel mehr.
    »Was ist denn jetzt mit dir?«, fragte Dub noch einmal, dieses Mal aber etwas ruhiger. »Du siehst auch irgendwie merkwürdig aus.«
    »Oh, vielen Dank.«
    »Na ja, du hast ein Tattoo im Gesicht, weiße Haare und deine Augen sind auch ganz schön seltsam.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich mein ja nur, dass du eine Doué sein könntest.«
    »Vielleicht redet sie ja auch nicht gern darüber.« Crank lächelte mich an. Ich lächelte zurück und starrte dann auf meine Hände. Sie hatte recht; ich redete wirklich nicht gern darüber. Ich hatte noch nie gern darüber geredet. Und jetzt wollte ich erst recht nicht darüber reden.
    »Heilige Scheiße«, stammelte Dub. Ich hob den Kopf und sah, wie er das Kurzschwert aus meinem Rucksack zog. »An der Klinge klebt ja Blut!«
    »Finger weg!« Ich warf mich nach vorn auf die Knie und riss ihm das Schwert und den Rucksack aus den Händen.
    »Du lieber Himmel. Entschuldigung.« Er lehnte sich zurück. Offensichtlich hielt er meine Reaktion für übertrieben. Aber ich hatte schließlich allen Grund dazu. Meine Sachen gingen ihn nichts an. Überhaupt nichts.
    Ich schob das Schwert wieder in den Rucksack, innerlich hoffte ich, dass das Blut inzwischen getrocknet war und keine Flecken auf meiner Kleidung hinterlassen hatte. Was für eine Glanzleistung, Ari. Daran hätte ich denken sollen, bevor ich das Kurzschwert in meinen Rucksack gesteckt hatte.
    »Lass einfach die Finger von meinen Sachen, ja? Morgen bist du mich wieder los.«
    »Ich werde noch mal mit Bas reden«, versprach Crank. »Ich bin sicher, dass er dir mit dem Krankenhaus helfen kann, und …«
    »Nichts für ungut, Crank, aber ich will nicht, dass er mir hilft.«
    Crank stieß Dub an und die beiden standen auf. Weil Violet keine Anstalten machte aufzustehen, bückte sich Crank und zog sie am Arm. »Komm schon, Vi.«
    Das kleine Mädchen fauchte Crank an, doch dann stand es auf und ging mit den anderen hinaus.
    Nachdem Crank mir den Schlafsack gebracht hatte, wartete ich, bis es vor der Schlafzimmertür ruhig geworden war. Die Stille wurde nur von dem gelegentlichen Ächzen und Stöhnen des alten Hauses durchbrochen.
    Ich nahm zwei hohe Kerzen vom Kaminsims, zündete sie an den glühenden Kohlen des Feuers an und stellte sie vor mich auf den Boden. Endlich war ich allein. Keine Unterbrechung. Keine Kinder. Keine Trommeln. Nichts, das mich ablenkte. Aber wenn ich ehrlich war, hatte ich einfach nur so lange gebraucht, bis ich den Mut fand nachzusehen, was noch in dem Karton war.
    Ich holte tief Luft und öffnete zuerst die beiden kleinen Schmuckschatullen. In der einen lag ein schlichter Silberring, auf dem etwas in Griechisch eingraviert war. Ich steckte ihn an den Ringfinger meiner rechten Hand. Er passte perfekt. Die zweite Schatulle enthielt ein altes Medaillon, so abgetragen, dass man das Bild auf der Vorderseite und die Schrift, die sich um den Rand zog, kaum noch erkennen konnte. Es sah aus wie eine Sonne, aber sicher war ich mir nicht. Ich legte das Medaillon zurück in die Schatulle und holte einen Zeitungsausschnitt aus dem Karton. In dem Artikel ging es um eine Frau in Chicago, die geköpft worden war und außer einer kleinen Tochter namens Eleni keine Angehörigen hinterließ. Scheiße . Eleni war der Name meiner Mutter. Diese Frau war vermutlich meine Großmutter gewesen.
    Als Nächstes fand ich einen Brief an meine Mutter, dessen Schrift schon ganz verblichen war.
    Liebe Eleni,

wenn Du diesen Brief liest, habe ich versagt wie so viele vor mir. Ich habe es nicht geschafft.

In ein paar Jahren, wenn Du erwachsen bist, wirst Du verstehen, dass Du anders bist. Alle von uns sind anders gewesen. Soweit ich weiß, ist keine Frau in unserer Familie älter als einundzwanzig geworden. Und wir haben alle eine Tochter hinterlassen. Es scheint so, als hätte das Schicksal diesen Weg für uns bestimmt, und es gibt nur diesen einen.

Dir wird es nicht anders ergehen. Es sei denn, Du findest eine Möglichkeit, um den Fluch zu brechen.

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