Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
Athene in ihre Fänge bekam.
Und das Schlimmste daran war, dass Sebastian genau wusste, was für Gedanken mir gerade durch den Kopf schossen. Ich versuchte, ihn aus dem Weg zu schieben, doch er rührte sich keinen Millimeter vom Fleck; er sah einfach nur mit unbewegter Miene auf mich herunter, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst.
Ich gab ihm einen Schubser und schlüpfte zwischen ihm und der Wand hindurch. Dann rannte ich den Rest der Treppe nach oben, während meine Stiefel im gleichen Rhythmus wie mein Herz trommelten.
Ich war schon ein paar Schritte den Flur hinuntergelaufen, als mir bewusst wurde, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich hinsollte. Was natürlich total peinlich war, da ich mich mitten im Gang umdrehen und auf ihn warten musste.
Sebastian kam die Treppe herauf und bewegte sich wie auf Schienen auf mich zu. Alles an ihm schien ruhig, dunkel und konzentriert zu sein. Ich schluckte und kam mir ziemlich bescheuert vor, weil ich versucht hatte, mein Ich-mach-das-allein-Mantra auf ihn anzuwenden … und auf mich.
Er hielt erst an, als er mir fast schon auf den Zehen stand.
»Du machst das nicht ohne mich«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Augen glänzten wie Stahl. »Ich hab mir nicht zum Spaß den Arsch aufgerissen und so oft mit meinem Vater trainiert. Du brauchst mich. Es mag ja sein, dass du mich nicht dabeihaben willst, aber du brauchst mich.«
Und damit ging er an mir vorbei und marschierte auf eine Treppe zu, die in den zweiten Stock führte.
Sebastian brachte es doch tatsächlich nicht nur fertig, aus mir eine verwirrte, nach Luft schnappende Idiotin zu machen, sondern schaffte es dann auch noch, etwas zu sagen, was mich innerhalb einer Sekunde stinksauer auf ihn machte. Vielleicht sollte ich das auf die Liste mit seinen Zauberkräften setzen, dachte ich vor Wut kochend, während ich ihm auf der Treppe nach oben folgte.
Abgesehen von seinem Vater war Sebastian das Mitglied der Familie Lamarliere, das über die meisten Zauberkräfte verfügte. Er war nicht nur einer der seltenen Hexenmeister wie sein Vater, sondern auch ein Vampir wie seine Mutter. Und die war noch dazu eine Blutgeborene, das Kind von Eltern, die beide Vampire waren, und damit die stärkste Art von Vampir, die es gab. Sebastian hatte das Potenzial – oder zumindest die Gene –, um außerordentlich mächtig zu werden. Ihn auf meiner Seite zu haben, war ein Bonus und ein Geschenk, das ich nicht ignorieren durfte.
Und ob er es nun glaubte oder nicht, ich wollte das gar nicht allein machen. Ich wollte nur nicht, dass noch jemand dabei in Gefahr geriet. Er hatte recht, aber das machte es auch nicht einfacher, das Ganze zu akzeptieren. Ich hatte den größten Teil meines Lebens damit verbracht, allein zurechtzukommen. Seit ich in New 2 war, hatte sich das geändert. Jetzt hatte ich Sebastian und Michel. Ich hatte Henri, Crank, Dub und Violet. Aber es würde für mich auch noch mehr Kummer und Schmerz bedeuten, wenn ihnen wegen der Sache mit Athene etwas zustieß. Und ich war mir nicht sicher, ob ich damit fertig werden würde.
Doch ich brauchte Hilfe, daran gab es nichts zu rütteln. Sebastian war einer der wenigen in New 2, denen ich vertraute. Und als Erbe der Novem hatte er Zugang zu Dingen, die anderen verwehrt wurden.
»Der zweite Stock wird hauptsächlich von der Verwaltung genutzt«, erklärte Sebastian, als wir an einen Schreibtisch kamen, an dem eine Frau saß. Sie hob den Kopf. »Wieder da, Bastian?«, fragte sie mit einem vielsagenden Blick auf seine Kleidung. »Dein Vater hat dich angemeldet. Geh einfach durch.«
»Weiß sie von der Bibliothek?«, flüsterte ich, während wir einen langen Flur mit Büros auf beiden Seiten entlanggingen.
»Nein. Von der Existenz der Bibliothek wissen nur die Oberhäupter der Novem und deren Erben. Sie glaubt, dass ich das Arbeitszimmer benutzen will. Du wirst schon sehen.« Wir bogen um eine Ecke und steuerten auf eine große Doppeltür am Ende des Flurs zu.
Sebastian steckte eine Karte in einen Scanner, der an der Wand neben der Tür angebracht war. Mit einem leisen Klicken öffnete sich das Schloss. »Das ist der Weg zum Arbeitszimmer. Hier kommt niemand ohne Karte durch und es gibt nur neun Stück davon. Die hier gehört meinem Vater.«
Sebastian zog eine der Türen auf und trat zurück, um mich durchzulassen. Ich hatte einen großen Raum oder wenigstens einen zweiten Flur erwartet, sah aber nur eine Art Wandschrank mit einer
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