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Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)

Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)

Titel: Dein göttliches Herz versteinert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Keaton
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dem Tod selbst ins Auge blicken. Aber das Kind, das Kind starrte mich an, ohne jede Angst. Es hatte keine Ahnung, was es bei seinem Tod gesehen hatte.
    Der Kloß in meinem Hals wurde immer größer, bis ich nicht mehr richtig schlucken konnte. Das war es also, was mich erwartete. Das würde geschehen, wenn ich mich weigerte, meinem Leben ein Ende zu bereiten. Ich würde mich in etwas verwandeln, das unschuldigen Menschen … das hier antat.
    »Kommt. Wir gehen um den See herum. Es wird wahrscheinlich nicht allzu lange dauern, bis wir den Tempel erreichen. Zwanzig, dreißig Minuten vielleicht«, sagte Sebastian. Ich war froh, diesen Ort zu verlassen.
    Da der See auf einer Seite an einen Berg angrenzte, gab es nur einen Weg dorthin. Wir gingen nach rechts, durch den Wald. Je tiefer wir zwischen die Bäume vordrangen, desto dichter wurden die Schlingpflanzen. Sie überwucherten die Baumkronen, ihre langen, dünnen Wurzeln hingen wie Luftschlangen herunter. Wenn der Wald einen Namen gehabt hätte, hätte er wohl so ähnlich wie Der Wald der tausend Seile gelautet.
    Schließlich wurde das Unterholz so dicht, dass ich ein Stück zurückfiel. Dorniges Gestrüpp riss an meiner Kleidung und an meinen Händen. Zweige peitschten mir ins Gesicht und zerzausten meine Haare. Ich wusste nicht mehr, wie oft ich gestoßen und gekratzt wurde oder stecken blieb. Oder wie oft ich in Gedanken oder auch leise fluchte.
    Entweder ich lenkte mich jetzt ab oder ich würde ausrasten. Als ich Sebastian einholte, stellte ich ihm eine Frage, die mir seit der Begegnung mit Gabriel und seinen Freunden im Aufenthaltsraum der Presby im Kopf herumging. »Was ist eigentlich mit dir und Anne Hawthorne?«
    Ich war auch schon mal diplomatischer gewesen. Noch direkter ging’s wohl nicht. Ich sah nach unten, um nicht über irgendetwas zu stolpern, als Sebastian abrupt stehen blieb und ich mit ihm zusammenstieß.
    Er warf einen neugierigen Blick über die Schulter und ging dann weiter. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Ähm, mir ist aufgefallen, wie sie dich angesehen hat. Ich bin ein Mädchen. So was erkenne ich.« Verärgert strich ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Wir sind ein paarmal miteinander ausgegangen.«
    Ich wartete, ob da noch mehr kam, merkte aber erst nach ein paar Schritten, dass er nichts weiter sagen wollte. Ich verdrehte die Augen und schoss einen finsteren Blick in Richtung seines Rückens.
    »Was verstehst du unter ›ein paarmal miteinander ausgegangen‹? «, bohrte ich nach.
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Das war letztes Jahr. Es ist nichts draus geworden.«
    »Und warum ist nichts –« Plötzlich stolperte ich und konnte mich gerade noch so fangen. Ich stöhnte genervt. Am liebsten hätte ich mein Schwert gezogen und angefangen, auf das Unterholz einzuschlagen, aber ich wollte die Klinge nicht stumpf machen.
    »Wir sind fast da. Ab jetzt sollten wir leise sein«, sagte Henri vor uns. Zwischen den Bäumen, die jetzt etwas weiter auseinanderstanden, war der Feuerschein vom Tempel zu sehen.
    Rechts von mir endete der Wald plötzlich und ich sah durch die Bäume hindurch den Himmel. Ich wusste nicht, wie weit oben in den Bergen wir waren, doch allem Anschein nach musste es ziemlich hoch sein.
    Der Wald ging in ein schmales Stück Land mit schroffen Felsen über, das bis zu der Rasenfläche vor dem Tempel reichte. Die Felsen waren so groß, dass man uns vom Tempel aus nicht sehen konnte. »Wir sollten hier eine Pause machen«, schlug Sebastian vor.
    Ich ließ mich hinter einem grauen Felsbrocken auf den Boden fallen und suchte im Rucksack nach meiner Wasserflasche.
    »Ich seh mir die Gegend mal aus der Luft an«, verkündete Henri nach einigen Minuten. »Ich bin bald zurück.«
    »Sei vorsichtig«, riet ihm Sebastian. »Wir wissen nicht, was hier noch so rumfliegt.«
    Henri nickte, kletterte über die Felsen und verschwand. Ich schaute nach oben, weil ich wusste, dass er am Himmel über uns wieder auftauchen würde. Trotzdem bekam ich eine Gänsehaut, als er wie ein dunkler Pfeil in die Luft schoss.
    »Cool, was?« Sebastian starrte in den Himmel.
    Sehr viel cooler, als sich in ein Monster mit lauter Schlangen auf dem Kopf zu verwandeln, dachte ich. »Wenn ich keine Höhenangst hätte, würde ich dir sofort zustimmen. Wie macht er das eigentlich genau? Und wohin verschwinden seine Klamotten?«
    Sebastian lachte. Er setzte sich mir gegenüber und streckte die Beine aus. »Es geht nicht nur um das

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