Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
vorbeigingen.
Ein Duft von Blumen lag in der Luft. Kirsch- und Apfelbäume mit rosafarbenen und weißen Blüten sprenkelten den Garten vor dem Tempel. Ein leichter Wind wirbelte Blütenblätter wie Schneeflocken durch die Luft.
Je näher wir dem riesigen Tempel kamen, desto schneller schlug mein Puls. Die Feuer in den großen Becken brannten immer noch, obwohl es schon spät war.
Der Tempel ragte mindestens vier Stockwerke in die Höhe, vielleicht auch fünf an der höchsten Stelle. Er war atemberaubend. Gigantisch. Und brutal einschüchternd. Nur das Knacken der großen Feuer, die hin und wieder Funken Richtung Himmel schickten, durchbrach die Stille.
Als wir uns der offenen Längsseite des Tempels näherten, gab Henri seinen Rucksack an Sebastian weiter und drückte mir seine Schrotflinte in die Hand. Ich schulterte die Waffe, während sich Henri in den Falken verwandelte und auf eine der Säulen flog, um Ausschau zu halten.
»Es ist zu ruhig«, flüsterte ich Sebastian zu, während ich mich mit dem Rücken an die Mauer drückte. Wir standen zwar im Schatten, doch wenn jemand genau hinsah, würde er uns entdecken. »Findest du nicht auch?«
Er wollte gerade antworten, als ein betrunkenes Pärchen aus dem Tempel kam und in den Garten torkelte. Plötzlich stolperten sie und fielen lachend ins Gras. Der Typ legte sich auf die Frau und murmelte ihr etwas ins Ohr. Dann küsste er sie.
Mist. An den beiden würden wir nicht unbemerkt vorbeikommen.
Ich stieß Sebastian an. Was jetzt?, formte ich lautlos mit den Lippen.
Sebastian straffte die Schultern. Er konzentrierte sich auf das Pärchen und biss die Zähne zusammen. Dann löste er sich von der Wand und schlenderte auf das Paar zu, als würde er hierhergehören. Es brauchte eine Menge Mut, um so etwas zu tun. Ich hielt den Atem an, als er auf Höhe der Schultern des Paares stehen blieb. Er sprach sie an, mit leiser, beruhigender Stimme. Der Mann antwortete ihm und fuhr dann fort, die Frau zu küssen. Sebastian ging weiter zum Eingang, drückte sich flach gegen die Wand und steckte dann kurz den Kopf hinein.
Er winkte mich zu sich. Ich zögerte eine Sekunde, bevor ich all meinen Mut zusammennahm und auf ihn zurannte.
Ich war auf halber Strecke zwischen der Mauer und Sebastian, als sich etwa fünfzehn Zentimeter neben mir ein Pfeil in die Erde bohrte. Ich war so überrascht, dass ich wie angewurzelt stehen blieb. Ich sah, wie Sebastian die Augen aufriss, dann wanderte mein Blick von ihm zu Henri und danach in die Richtung, aus der der Pfeil gekommen war.
Nein, nein, nein!
Einen Moment waren wir alle starr vor Schreck und so verblüfft, dass wir nicht wussten, was wir tun sollten.
Ich sah ein wildes, ungezähmtes Leuchten in Sebastians Augen. Langsam drehte er den Kopf in Richtung des Bogenschützen, während er gleichzeitig die Rucksäcke von seinen Schultern gleiten ließ. Plötzlich wurde die Luft schwer, fast drückend. War das Sebastians Werk? Oh, Scheiße. Mit Sicherheit, denn er sah aus wie ein lauerndes Raubtier, das gleich zum Sprung ansetzte.
Ich wich einen Schritt zurück, weil ich nicht wusste, was jetzt geschehen würde. Ich hatte ihn noch nie so gesehen.
Der Bogenschütze stand in den Schatten an der Ecke des Tempels. Aufgrund der Silhouette war mir sofort klar, dass es Menai war, das Mädchen, das an Athenes Tisch neben mir gesessen hatte. Das Mädchen, das so gefühllos und gelangweilt gewirkt hatte, während mein Vater gefoltert worden war.
Und dafür würde sie jetzt bezahlen.
Als ich sah, wie sie den nächsten Pfeil in ihren Bogen einlegte, zog ich meine Pistole. Henri stieß sich von der Säule ab und flog los. Der Bogen hob sich, Menai zielte auf mich. Plötzlich war Sebastian in der Schusslinie, ich konnte nicht abdrücken – Scheiße! Ich nahm den Finger vom Abzug, als Henri den Pfeil abfing, bevor er sein Ziel fand. Er flog damit über die Mauer und ließ ihn fallen.
Sebastian warf sich auf Menai. Ich rannte los und ließ dabei meinen Rucksack und die Schrotflinte von meiner Schulter gleiten und auf den Boden fallen. Als ich das miteinander beschäftigte Paar im Gras erreichte, sprang ich über die beiden hinweg. Die Wucht von Sebastians Aufprall war so groß, dass er und Menai sich überschlugen und vom Garten in den großen Hof auf der Vorderseite des Tempels rollten.
Schon während ich über den Rasen rannte und meinen Herzschlag in den Ohren hörte, wusste ich, dass wir geliefert waren. Als ich den Hof erreicht hatte, blieb
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