Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
ansehen musste.
Es war mir nicht mehr gelungen, meine Macht zu wecken, und ich wusste auch, warum. Ich war zu schwach und meine Gefühle waren abgestumpft. Auch wenn mich niemand angefasst hatte – Athene folterte mich rein psychisch. Es war, wie Bran es mir angekündigt hatte, sie zerstörte mich von innen heraus.
Und Henri – falls das da draußen tatsächlich Henri gewesen war – war nicht wieder aufgetaucht. Ich hatte keine Ahnung, was außerhalb des Tempels geschah, aber ich wusste, dass Sebastian nicht mehr lange durchhalten würde.
Am dritten Abend mussten die Wächter Sebastian in die Zelle zurücktragen, weil er zu schwach zum Laufen war. Sie ließen ihn auf den Boden seiner Zelle fallen, doch dieses Mal stießen sie mich zu ihm hinein und sperrten die Tür hinter uns ab.
Als Sebastian den Kopf hob und mich sah, begann er zu schreien. Er schien von irgendwoher neue Kraft zu bekommen, warf sich auf die Knie und packte die Gitterstäbe. »NEIN! KOMMT WIEDER ZURÜCK! SCHAFFT SIE HIER RAUS!«
Die Wächter gingen laut lachend davon.
Ich ging zu ihm, doch er hob abwehrend die Hand. »Komm mir nicht zu nahe!«, fuhr er mich mit wildem, wirrem Blick an. Ich erstarrte. »Geh zur Wand, Ari. Fass mich nicht an. Bitte fass mich nicht an.«
Sebastian ließ die Gitterstäbe los, sank auf Hände und Knie und ließ den Kopf hängen. Er zitterte am ganzen Körper, sein Atem ging stoßweise.
Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und trat zurück. »Du hältst das nicht mehr länger durch«, schluchzte ich unter Tränen. »Sebastian, du wirst sterben. So kannst du nicht überleben.« Ich holte tief Luft und sprach weiter. »Trink mein Blut und bring’s hinter dich.«
Sein Kopf fuhr herum. Der Blick in seinen Augen war gefährlich. »Sei still.« Sein tiefes Fauchen löste Gänsehaut bei mir aus.
Nur die pure Verzweiflung ließ mich trotz seiner Warnung weiterreden. »Es würde dich wieder stärker machen, oder? Wenn du Blut trinkst, wenn aus dir ein …« Ich brachte es nicht über mich, es zu sagen.
»Hör auf, Ari.«
»Nein. Ich werde nicht aufhören. Ich kann nicht. Athene wird nämlich auch nicht aufhören. Noch ein Abend und du … Ich will dir helfen. Willst du etwa hier sterben? Weil Sie es so will? Trink einfach mein Blut.«
Vor Wut kochend drehte er sich zu mir. »ICH WILL ES NICHT!« Er wandte sich ab und sank gegen die Gitterstäbe. »Eher sterbe ich.«
Ich öffnete den Mund, hielt mich dann aber zurück. Ich konnte nicht einmal zu ihm gehen und ihn trösten. »Tu das nicht«, flehte ich nach einer Weile. »Zwing mich nicht, dabei zuzusehen, wie du stirbst, obwohl ich dir helfen könnte.«
»Du willst Athene geben, was Sie will?« Er hatte das Gesicht in seinem Arm vergraben.
»Wenn es bedeutet, dass du das hier überleben wirst – ja.«
»Ich will nicht mehr darüber reden. Ich will es nicht. Ich will dich nicht. Lass mich in Ruhe.«
Ich ging von ihm weg, bis ich mit dem Rücken gegen die Felswand stieß. Dann setzte ich mich auf den Boden, zog die Knie zur Brust, schlang meine Arme darum und starrte die Gestalt an, die vor den Gitterstäben zusammengesunken war.
Sebastian klammerte sich an den Stäben fest, als wären sie seine Rettung. Doch das stimmte nicht; ich war die Einzige, die ihn retten konnte. Und wir wussten es beide. Athene hatte sich sehr genau überlegt, wie Sie ihn foltern wollte. Der Hunger und dieser ganze Psychoscheiß, mit dem Sie ihn jeden Abend quälte, hatten ihn an seine Grenzen gebracht.
Hier in Athenes Reich waren Sebastians Zauberkräfte nutzlos. Er heilte zwar schneller als ein Mensch, aber er war nicht unsterblich. Die Göttin hatte mich in die Enge getrieben. Ich würde auf keinen Fall hier rumsitzen und zusehen, wie er starb. Noch ein Abend, dann war es so weit … wenn er überhaupt noch so lange leben würde.
Ich stützte mein Kinn auf die Knie, während sich die Gedanken in meinem Kopf überschlugen. Nach einer Weile lösten sich Sebastians Hände von den Gitterstäben und sein Körper sackte in sich zusammen, als wäre er eingeschlafen – oder bewusstlos geworden, so genau konnte ich das nicht erkennen.
Ich biss mir in die Wange, hundemüde, aber viel zu verstört, um die Augen zu schließen und zu schlafen. Athene machte ihrem Namen als meisterhafte Strategin alle Ehre. Aber Göttin hin oder her, auch Sie musste einen wunden Punkt haben. Und wenn es nicht Macht und Kontrolle waren, lag ihre Schwäche vielleicht in ihrem Privatleben – dort schlug
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