Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
Sie bei mir am brutalsten zu. Warum also sollte ich den Spieß nicht umdrehen?
Doch Athenes Privatleben war mir ein Rätsel. Ich wusste nicht, wen Sie liebte – falls Sie überhaupt liebte. Vielleicht waren ihre Gefühle schon vor langer Zeit abgestorben. Was eine Menge erklären würde.
Irgendwann wurden meine Lider schwer und meine Gedanken zäh. Ich rieb mir mit meinen schmutzigen Händen über das Gesicht und wischte meine Tränen weg. Warum versuchte ich überhaupt, eine Möglichkeit zu finden, um Sie zu besiegen? Im Vergleich zu ihr war ich ein Nichts, eine Maus, die es mit einem Tyrannosaurus Rex aufnehmen wollte.
Eine Welle der Hoffnungslosigkeit brach über mich herein. Ich konnte nicht mehr klar denken, ich spürte nur noch einen brennenden Schmerz in meinem Magen, der dann am meisten wehtat, wenn alles andere in den Hintergrund trat und meine Gefühle mich nicht mehr ablenken konnten. Doch selbst das war irgendwann vorbei, als ich einschlief.
Als ich aufwachte, hatte ich Fieber. Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Mein Hintern und mein Rücken waren ganz steif geworden und schmerzten. Vor mir sah ich zwei Beine. Verwirrt hob ich den Kopf. Sebastian stand über mir. Mit seiner blassen Haut und den hellgrauen Augen wirkte er wie ein Geist im Dunkeln. Als sich unsere Blicke trafen, wandte er sich ab und ging wieder zu den Gitterstäben.
Ich verlor immer wieder das Bewusstsein und träumte, lebhafte, beunruhigende Träume. Der Boden unter mir war hart, mein Hunger quälend. Der Schlaf half nicht – im Gegenteil: Er zehrte noch mehr an mir als das Wachsein,
Als ich wieder zu mir kam, lag ich immer noch auf der Seite, mit einem Arm unter meinem Kopf. Sebastian saß in der Ecke. Er war wach. Ich starrte ihn an, während mein Kopf langsam klarer wurde und ich begriff, was er da gerade tat.
Mit einem Ruck setzte ich mich auf.
Er saß vornübergebeugt da, hielt einen scharfkantigen Stein in der Hand und machte damit einen Schnitt nach dem anderen in die weiche, blasse Haut seines Unterarms, während er seine andere zur Faust geballt hatte.
Sebastian fügte sich Schmerzen zu, um sich konzentrieren zu können.
Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich wusste, wie sich das anfühlte. »Hör auf«, flüsterte ich, während ich aufstand. Meine Beine zitterten vor Schwäche. Mit einer Hand hielt ich mich an der Felswand hinter mir fest, mit der anderen strich ich mir die Haare aus dem Gesicht.
Sebastian hörte nicht auf, er nahm mich gar nicht wahr. Er war in seiner eigenen Welt versunken.
»Sebastian.« Lauter dieses Mal. »Hör auf.«
Nichts. Immer wieder schnitt er dünne rote Linien in seinen Arm.
»Sebastian.« Ich ging zu ihm, beugte mich hinunter und nahm ihm den Stein aus der Hand.
In dem Moment, in dem ich ihn berührte, schoss seine Hand vor und packte mein Handgelenk. Ein stechender Schmerz zuckte durch das Gelenk, als Knochen und Sehnen zusammengedrückt wurden. Schreiend wich ich zurück, doch er ließ mich nicht los.
Er hob den Kopf und sah mich mit sonderbar silbrig schimmernden Augen an. Sein Gesicht wirkte irgendwie kantiger, schärfer als sonst. Und bedrohlicher.
Innerhalb von Sekundenbruchteilen war er aufgestanden. Ein erneuter Schrei blieb mir in der Kehle stecken, als er mich an den Oberarmen packte und gegen die hintere Wand der Zelle stieß. Ich knallte gegen den Fels und schnappte nach Luft. Er hielt mich fest und drückte sich mit seinem ganzen Körper an mich.
Ich konnte mich nicht bewegen und versuchte mit aller Macht, ruhig zu bleiben, ihm irgendwie zu helfen. Sebastians Stirn berührte die Felswand neben meinem Kopf. Sein Brustkorb hob und senkte sich, sein Herz schlug so heftig, dass ich es wie eine Trommel an meiner Brust spüren konnte.
Als es kleine Steinchen auf den Boden regnete, wusste ich, dass er seine Fingernägel in den Fels grub, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren.
Mehrere Sekunden vergingen, bis ich meine Stimme wiedergefunden hatte. »Sebas –«
»Nicht sprechen.«
Die Stille, die Nähe zu ihm weckte alle Sinne in mir. Ich zitterte vor Angst und Anspannung.
Ich wusste, dass es jetzt so weit war. Das war der Moment und … ich wollte, dass ich es war. Obwohl Athene uns an diesen Punkt gebracht hatte, obwohl er es nicht wollte, wollte ich es sein.
Ich wollte diejenige sein, die ihn rettete.
Ich holte tief Luft und zwang mich dazu, mich zu entspannen und das Unvermeidliche zu akzeptieren. Immer noch den Stein in der einen Hand
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