Dein Herz will ich erobern
lächelte, als er das Gesicht verzog, denn sie wusste, dass er es gut meinte, selbst wenn er sie in ihrer Entfaltung einschränkte. Er sorgte sich immer um sie, und dafür hatte sie ihn lieb – zumindest meistens. „Übermorgen“, fügte sie kleinlaut hinzu, denn sie wusste, dass es ihm nicht gefallen würde.
„Übermorgen…“ Kevin starrte sie entgeistert an. Das ließ ihm nicht viel Zeit, sich mit dem Gedanken anzufreunden. Vielleicht war es besser so. „So bald?“
Sie rückte. „Der Arzt da oben braucht mich dringend. Er hat sonst keine Hilfskraft. Es wird eine großartige Erfahrung für mich sein, und ich werde endlich wichtig sein.“
Er stand auf und blickte sie ernst an. „Du warst immer wichtig.“
„Du weißt schon, was ich meine.“
„Ja, das weiß ich.“ Sie war fest entschlossen, das merkte er. Insgeheim hatte er gehofft, dass sie einen Ort in der Nähe finden würde, an dem sie ihrer Berufung nachgehen konnte.
Aber er wusste von ihrem Drang nach fernen Orten, wusste von den Antwortbriefen aus allen Winkeln der Welt, und dennoch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben. „Wir müssen bei Lily eine Abschiedsparty veranstalten.“
„Das wäre sehr schön.“ Erleichtert wandte sie sich zum Gehen.
„Betrachte es als arrangiert. Übrigens, Aly?“
Sie blickte über die Schulter zurück. „Ja?“
Gemessen und sehr gefühlvoll erklärte er: „Falls du an jenem gottverlassenen Ort irgendetwas brauchen solltest, dann ruf mich einfach an, und ich komme mit dem nächsten Flieger.“
„Das weiß ich. Und ich danke dir, großer Bruder.“
Sie stürmte zu ihm zurück, warf sich ihm an die Brust und schlang die Arme um seinen Nacken. Sie hielt den Kopf gesenkt – nicht, um ihre Tränen zu verbergen, sondern weil sie wusste, dass er ihr seine nicht zeigen wollte.
8. KAPITEL
Luc hielt die beiden Drinks, die er hinter der Bar gemixt hatte, hoch in die Luft, während er sich einen Weg durch Lilys Restaurant bahnte. Es erforderte viel Geschick, mit niemandem zusammenzustoßen.
Die Türen waren für die Privatfeier geschlossen worden. Es war beinahe so überfüllt in dem eleganten kleinen Lokal wie in der supermodernen Disco, die er mit Kevin und Jimmy vor drei Tagen besucht hatte. Aber im Gegensatz dazu war der Geräuschpegel nun niedrig, beinahe beruhigend. Herzlichkeit strahlte von den Leuten aus, die gekommen waren, um Alison und den Fremden zu sehen, der sie zu einem Abenteuer an einen Ort entführen wollte, von dem sie nie zuvor gehört hatten.
Er kannte keinen dieser Leute und war Lily erst kurz zuvor zum ersten Mal begegnet, als er mit Alison zu dieser Abschiedsparty eingetroffen war. Und doch hatten alle ihn bereitwillig in ihren Kreis aufgenommen und behandelten ihn wie einen Freund, wie einen von ihnen.
Es erinnerte ihn an den Salty Saloon und Hades, wo sich alle unwiderruflich miteinander verbunden fühlten.
Ihm wurde bewusst, dass er Heimweh hatte. Es war schön, einen Ort zu haben, den man vermisste. Sich zu erinnern, dass man etwas – und jemanden vermisste.
Er näherte sich dem Tisch, an dem Alison mit ihrer Familie saß, und hörte ihr melodisches Lachen, das ihm unter die Haut ging.
Würde sie es bereuen, ihre Familie und Freunde aufzugeben und praktisch ans Ende der Welt zu gehen? Würde sie schon bald Heimweh haben? Nun, das blieb abzuwarten, und vielleicht konnte er ihr dann darüber hinweghelfen.
„Oh, du hast die Getränke.“ Lächelnd griff sie nach ihrem Glas. „Wir dachten schon, du wärst verloren gegangen.“
„Nein. Es hat nur seine Zeit gebraucht.“
Lily, eine größere, etwas ältere Version von Alison, blickte über die Schulter. Die meiste Zeit hatte sie als sehr aufmerksame Wirtin fungiert, doch seit einigen Minuten gestattete sie sich, nur Alisons Schwester zu sein. Ihre Aufmerksamkeit kehrte zurück, als sie nun zur Bar schaute. „Normalerweise ist Bill nicht so langsam.“
„Das ist er auch jetzt nicht. Aber er hat so erledigt ausgesehen, dass ich ein paar Minuten für ihn eingesprungen bin.“ Luc setzte sich auf den Platz, den Alison für ihn reserviert hatte. „Ich habe diese Drinks gemixt, und dazu noch ein paar andere.“
Lily blickte ihn vorwurfsvoll an. „He, du bist hier zusammen mit Aly ein Ehrengast. Du hättest nicht arbeiten dürfen.“ Sie musterte Bill und stellte fest, dass er wirklich erschöpft wirkte. Hoffentlich wurde er nicht krank. „Die Pflicht ruft.“ Sie stand auf und küsste Luc spontan auf die Wange.
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