Dein Herzensprinz Prinzessin
ihn zur Begrüßung auf gar keinen Fall umarmen. Und wenn er mich umarmen will, behaupte ich einfach, ich hätte eine ganz schlimme Erkältung.
Genau! Das ist die Idee. Ich will nicht, dass er sich bei mir ansteckt.
Ha! Genial!
Ich kann echt nicht glauben, dass Kenneth angeblich der beste Schüler unseres Jahrgangs ist. Eigentlich müsste ich es sein. Wenn es eine Jahrgangsbeste im Unterrichtsfach »Leben« gäbe, wäre das auf jeden Fall ich.
Donnerstag, 4. Mai, Schulcafeteria
Mein Vater hat gerade mit neuen Nachrichten von der Moscovitz-Front angerufen.
Diesmal ging es um Lilly.
Eigentlich sollte ich es aufgeben, mir hier noch was zu essen zu kaufen, weil es sowieso unweigerlich auf dem Boden landet. Wobei... morgen ist ja schon »Frei-Tag« und danach gehört die Cafeteria endgültig der Vergangenheit an. Damit wäre zumindest dieses Problem gelöst.
»Hast du mitbekommen, wie deine Freundin auf der Party sämtliche Gäste gefilmt hat«, fragte Dad, als ich im festen Glauben, diesmal sei Grandmère aber wirklich gestorben, ans Handy ging.
»Ja...« Ich zupfte mir Käseraspel, Bohnen und Maiskörper aus den Haaren, während alle um mich herum mich böse anfunkelten und sich ebenfalls Salatbestandteile aus den Haaren zupften. Wobei es wirklich nicht meine Schuld war, dass ich vor Schreck meine Fiesta Taco Bowl hatte fallen lassen, als das Handy klingelte.
»Sie hat einen Wahlwerbespot gedreht. Gestern Abend um Punkt Mitternacht wurde er zum ersten Mal vom genovesischen Fernsehen ausgestrahlt.«
Ich stöhnte gequält auf. Alle sahen mich höflich fragend an - bis auf JP, der im selben Moment auf seinem eigenen Handy angerufen wurde.
»Sean«, flüsterte er entschuldigend in meine Richtung.
»Ich muss was mit ihm besprechen. Bin gleich wieder da.« Er stand auf und ging zum Telefonieren nach draußen, weil es in der Cafeteria so laut war.
»Und? Wie schlimm ist er?«, fragte ich. Dabei waren Dads Beliebtheitswerte durch die positive Berichterstattung über den CardioArm, den Michael uns geschenkt hatte, gerade etwas gestiegen.
Aber in den Umfragen lag René nach wie vor vorn.
»Nein, du verstehst nicht«, sagte Dad mit merkwürdig belustigter Stimme. »Es ist ein Wahlkampfspot für mich, nicht gegen mich.«
»Was?« Mir blieb die Luft weg. »Was hast du gerade gesagt?«
»Du hast mich schon richtig verstanden«, sagte Dad. »Ich dachte, es würde dich vielleicht interessieren. Ich habe dir den Link gemailt. Der Spot ist wirklich sehr schön geworden. Ich weiß gar nicht, wie sie das gemacht hat. Hast du mir nicht mal erzählt, sie hätte eine eigene Fernsehsendung in Korea? Wahrscheinlich hat sie die Leute dort gebeten, ihn zu produzieren, und hat dann jemanden beim hiesigen Fernsehen …«
»Dad!«, unterbrach ich ihn atemlos. »Ich muss jetzt leider auflegen …«
Ich drückte ihn weg und öffnete schnell mein Mailprogramm. Nachdem ich mich durch diverse hysterische Mails von Grandmère gescrollt hatte, die mich drängte, mich endlich für Kleider für den Abschlussball und die Zeugnisverleihung zu entscheiden (dabei ist es bei der Verleihung total egal, was ich anhab, da trage ich sowieso meinen schwarzen Talar drüber), fand ich endlich Dads Mail. Ich klickte auf den Link zu Lillys Wahlspot.
Dad hatte recht, er ist wirklich richtig toll. In dem etwa sechzig Sekunden dauernden Film kommen alle VIPs zu Wort, die auf meiner Party waren - die Obamas, die Clintons,
die Beckhams, Oprah, Brad und Angelina, Madonna, Bono und noch ein paar andere - und sagen sehr nette Sachen über meinen Vater. Sie erinnern daran, was er in der Vergangenheit für Genovia getan hat, und rufen die Wähler dazu auf, ihn zu unterstützen. Dazwischen eingeblendet sind immer wieder malerische Landschaftsfotos von Genovia (alles Bilder, die Lilly bei ihren vielen Besuchen dort gemacht hat), auf denen man das blau funkelnde Wasser der Bucht sieht, die grünen Hänge, die weißen Sandstrände und den Palast. Alles sieht wunderschön unberührt und gar nicht nach Touristenfalle aus. Am Ende erscheint in geschwungener Schrift die Aufforderung: »Bewahren Sie die Schönheit des historischen Genovia. Wählen Sie Fürst Phillipe.«
Als die Musik endete - eine Ballade, die ich sehr gut kenne, weil Michael sie vor Jahren für seine damalige Band Skinner Box komponiert hat -, standen mir Tränen in den Augen.
»O Gott, Leute«, sagte ich. »Das müsst ihr euch anschauen.«
Ich reichte mein iPhone weiter und bald weinten fast alle
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