Dein ist das Leid (German Edition)
nicht lange.
Das Schloss des Gebäudes war fast genauso leicht zu knacken wie das am Tor.
Drin war es dunkel, nur etwas schwaches Mondlicht drang durch eine Dachluke. Es reichte gerade, um den Umriss des Schiffes zu erkennen. Marc holte eine Taschenlampe aus dem Rucksack. Die Jacht war ziemlich eindrucksvoll, stromlinienförmig, weiß, fast dreißig Meter lang, an den Seiten stand Lady Luck in schwungvollen Buchstaben. Ein passender Name für Fentons besonderen Schatz.
Marc verschwendete keine Sekunde. Er hob Hero hoch und schleppte seine ganzen fünfundvierzig Kilo die Leiter hinauf, über die Reling, dann setzte er den Bluthund auf dem Hauptdeck der Jacht ab.
Sie inspizierten den Wohnbereich, konzentrierten sich vor allemaufs Bad und fanden schnell ein paar von Fentons persönlichen Gegenständen – einen Rasierapparat und ein paar Badehosen. Marc ließ Hero daran schnüffeln und verstaute sie in seinem Rucksack.
Dann holte er die Geruchsproben von Paul Everett heraus und ließ Hero auch daran schnüffeln. Der Hund hob den Kopf und stürmte in die Kombüse. Dort setzte er sich hin, kratzte am Boden und weigerte sich, sich vom Fleck zu rühren.
Na bitte. Marc wusste Bescheid. Paul Everett war auf dieser Jacht gewesen, und Fenton hatte nie etwas davon erwähnt. Flüchtige Bekannte, die geschäftlich miteinander zu tun, aber sich noch nicht geeinigt hatten? Wer’s glaubt …
Marc gab Hero eine Leckerei und führte ihn über das Hauptdeck bis zu der Leiter, die hinauf zur Brücke führte. Hier befand sich nicht nur das Steuerrad, sondern es gab auch alle möglichen elektronischen Navigationsgeräte.
Marc fand sofort, was er suchte.
Er fuhr die Sailor-Broadband-Anlage hoch und wartete, bis das System einen Satelliten gefunden hatte. Dann nahm er ein Ethernet-Kabel aus seinem Rucksack, verband das eine Ende mit seinem Laptop und das andere Ende mit der Wandbuchse über der Mahagoni-Tischplatte, die als Fentons Arbeitsplatz auf See zu dienen schien. Als alle Anzeigen grün leuchteten, fuhr er den Laptop hoch und verschaffte sich Zugang zum Hauptmenü.
Marc sah sich alle Anrufe und SMS an, die Fenton von hier aus getätigt oder empfangen hatte, und lud das alles auf den Laptop, damit Ryan es später auswerten konnte.
Als er die Telefonliste überflog, stutzte er plötzlich. Ein interessanter Eintrag fiel ihm ins Auge: Big Money .
Eine Nummer mit der Vorwahl 870, die ihm nichts sagte.
Er klickte ein paar Mal herum, bis er mit Big Money Verbindung aufnehmen konnte, und ließ sich eine kryptische Nachricht einfallen, die nur aus einem Wort bestand:
Status?
Er klickte auf „Senden“ und wartete. Nach kurzer Pause kam eine Antwort:
Was machen Sie denn auf dem Boot? Dachte, es wäre über den Winter auf dem Trockendock.
Marc überlegte, wie Fenton auf so eine Frage reagieren würde.
Geht Sie gar nichts an. WAS IST IHR STATUS?
Die Antwort bestätigte ihm, dass er richtig getippt hatte.
Entschuldigung. Alle Container geborgen. Auf dem Weg nach Bayonne.
Marc musste zweimal hinsehen. Dann tippte er eine abschließende Nachricht:
Gut. Ende.
Geborgene Container? Nach Marcs Erfahrung konnte das verschiedene Möglichkeiten bedeuten – aber jede einzelne würde Fenton für sehr, sehr lange Zeit hinter Gitter bringen.
Als Marc die Hecktür des Vans aufriss und Hero hineinspringen ließ, hockte Ryan in der Ladefläche, voll auf den Bildschirm konzentriert.
„Hey.“ Ryan riss den Kopf hoch. „Wie ist es gelaufen?“
„Nicht schlecht.“ Marc bedeutete ihm, sich wieder ans Steuer zu setzen. „Du musst dir eine Anruferliste ansehen. Dann müssen wir noch drei Zwischenstopps einlegen. Als Erstes holen wir Claire in Westhampton Beach ab.“
„Und als Zweites – stattest du Fenton einen Besuch ab.“
„Exakt. Und danach Mercer. Wird wirklich langsam Zeit, dass wir die Ratten aus ihren Löchern scheuchen.“
Dreißig Minuten nachdem Marc wieder von der Jacht geklettert war, kreuzte der Kapitän der Big Money gerade unter der Verrazano Narrows Bridge, als sein Display anzeigte, dass er eine weitere Nachricht erhalten hatte. Er drückte „Eingang“ auf dem Touchscreen und las:
Fenton (mobil).
Wieso sollte Fenton ihm schon wieder eine Nachricht schicken, diesmal vom Handy? Eben auf der Lady Luck hatte er doch klargestellt, dass er die Verbindung beendete, was zwischen den Zeilen hieß: Belästigen Sie mich nicht weiter .
Hektisch öffnete der Kapitän die neue Nachricht – und geriet in Panik, als er
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