Dein ist das Leid (German Edition)
Ich möchte, dass sie wachsen und gedeihen. Bitte versage mir diesen Wunsch nicht. Wenn Justin später nichts damit zu tun haben möchte, kann er ja alles verkaufen. Wenigstens werde ich dann nicht mehr amLeben sein und muss nichts davon wissen.“
Amanda hatte bei ihrem Onkel noch nie so einen Gefühlsausbruch erlebt. Das brachte sie ganz aus der Fassung.
„Na gut“, gab sie nach, musterte sein Gesicht und fragte sich, wie viele verschiedene Facetten Lyle Fenton wohl haben mochte. „Eine solche Entscheidung werde ich für Justin nicht treffen. Das kann er selbst tun, wenn er alt genug dafür ist. Mehr kann ich dir nicht versprechen.“
„Um mehr habe ich auch gar nicht gebeten. Nur eins noch.“
„Was denn?“
„Bevor ich gehe, möchte ich Justin noch einmal sehen.“
Amanda versteifte sich. „Er liegt auf der Intensivstation, Onkel Lyle. Das weißt du doch. Nur sehr wenige Leute dürfen da rein. Er hängt an einem Beatmungsgerät mit einem Schlauch in der Brust. Da sind Besucher nicht erlaubt.“
„Ich wollte ja auch gar nicht mit reingehen“, erwiderte ihr Onkel. „Ich möchte ihn nur noch mal durch die Glasscheibe sehen.“
„Du hast ihn doch erst vor ein paar Tagen gesehen.“
„Tu mir bitte den Gefallen.“ Fenton warf dem Team von Forensic Instincts einen unbehaglichen Blick zu. Dass sie überhaupt nicht auf seine Anwesenheit reagierten, machte ihn zunehmend nervös. Besonders Devereaux, der den Raum vor einiger Zeit wieder betreten hatte. Wieso stand der da einfach so herum? Bei ihrer letzten Begegnung hatte dieses Schwein ihm beinahe die Luftröhre zerquetscht. Lag es an dieser einstweiligen Verfügung? Oder daran, dass hier noch andere Leute waren, sodass er lieber nicht gewalttätig werden wollte?
Jedenfalls wollte Fenton sich nicht mehr länger in seiner Nähe aufhalten.
„Ich werde eine ganze Weile weg sein“, sagte er zu seiner Nichte. „Ich möchte gern meinen Großneffen noch einmal sehen, bevor ich gehe.“
Amanda zog sich der Magen zusammen. „Willst du dich damit verabschieden, für den Fall …“ Sie ließ den Satz unvollendet. „Ich möchte nicht, dass mein Sohn so einer negativen Energie ausgesetzt ist. Wir denken hier alle positiv.“
„Das tue ich doch auch.“ Fenton schüttelte den Kopf. „Hätte ich so für seine Zukunft gesorgt, wenn ich annehmen würde, wir könnten ihn verlieren? Niemals. Ich muss ihn noch mal sehen. Um michzu überzeugen, dass ich das Richtige tue.“
Amanda sagte lange nichts. Ihr Blick wanderte zu Marc, dann zu der Uhr an der Wand.
Marc begriff sofort. Amanda fragte ihn, was sie tun sollte. Paul könnte jeden Moment zurückkommen. Sie konnte ja nicht ahnen, dass Marc sich längst darum gekümmert hatte.
Stumm formte er die Worte „Kein Problem“ mit den Lippen und hob den Daumen. Sie hatten alles unter Kontrolle.
Mehr brauchte Amanda nicht zu wissen.
„Okay“, sagte sie schließlich. „Ich bring dich hin.“ Sie drehte sich um und ging, immer zwei Schritte vor ihm, zur Intensivstation.
„Ich glaube, ich muss gleich kotzen“, murmelte Ryan und wandte den Kopf ab. „Was jetzt?“
„Hutch ist dran“, sagte Marc. „Außerdem bleibt er bei Evans, damit da keine Überraschung passiert. Was Fenton angeht, sollten wir Hutch ein bisschen mehr Zeit verschaffen.“ Er warf Patrick einen Blick zu. „Geh wieder auf deinen Posten. Du behältst Amanda und Fenton im Auge. Wir müssen ihn dann hier aufhalten, wenn er zurückkommt.“
„Willst du zu Ende bringen, was du in seinem Haus angefangen hast?“, wollte Claire wissen. „Das würde ich dir nämlich nicht raten. Hier sind auch andere Leute, ein tätlicher Angriff ist ein Verbrechen, und gegen dich liegt bereits eine einstweilige Verfügung vor.“
Marc verzog einen Mundwinkel. „Schön, dass du dir Sorgen um mich machst. Nein, diesmal werde ich ihm nichts antun. Er hat sowieso Schiss vor mir, da reicht es völlig, wenn ich ihm gegenübertrete. Was diese blöde Verfügung angeht, die wird nicht mehr viel wert sein, wenn es einen Haftbefehl gegen ihn gibt.“
„Wir haben nicht das Ziel, ihn zu verscheuchen“, warnte Casey. „Sondern ihn hierzubehalten. Das kannst du mir überlassen. Ich beschäftige ihn schon, bis das FBI da ist.“
Fenton stand fünf Minuten schweigend vor der Glasscheibe und starrte auf Justin hinab.
„Du bist seine Mutter“, sagte er schließlich zu Amanda. „Du siehst nur dein leidendes Kind. Ich bin sein Großonkel und ein erfolgreicher
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