Dein ist das Leid (German Edition)
die Bucht und wies sowohl bescheidene als auch teure Häuser auf. Die Straßen waren schläfrig, geschmückt mit Weihnachtsbeleuchtung, die nach Sonnenuntergang schön leuchten würde, aber man konnte gar nicht anders, als sich vorzustellen, was hier in der Sommersaison los sein würde. Die Strände entlang der Bucht waren wunderschön, und von dort war es nur ein Katzensprung zu den Läden, Restaurants und Clubs.
Das Forensic Instincts -Team hatte mit Amanda beschlossen, Pauls Cottage zuerst aufzusuchen, dann hinaus nach Lake Montauk zu fahren, wo Pauls Wagen gefunden worden war. Danach würden sie zurückfahren und auf dem Heimweg in die Stadt bei Amandas Apartment halten. Der Grund dafür war ganz einfach: Amanda und Paul hattenzusammen viel mehr Zeit bei ihm als bei ihr verbracht. Und da Lake Montauk der Tatort war, konnten Casey und Marc die ganze Gegend bis hinaus zu Gosman’s Dock nach allem absuchen, was die Polizei übersehen hatte – falls sie überhaupt gesucht hatte. Gleichzeitig konnte Hero Pauls Geruch aufnehmen, und Claire konnte sich in Pauls ehemaligem Zuhause aufhalten und feststellen, ob sie etwas wahrnahm. Was immer Amanda an seinen persönlichen Gegenständen aufbewahrt hatte, besonders solche von sentimentalem Wert, befand sich in ihrem Apartment und würde auf der Rückfahrt untersucht werden.
Casey steuerte den Van in die Auffahrt zu dem behaglichen kleinen Cottage, das Paul hier gemietet hatte. Während der Fahrt hatte sie auf die Straße geachtet, und Marc, der das Navi im Auge behielt, gab ihr gelegentlich Anweisungen. Aber Claire, die mit Amanda auf dem Rücksitz saß, spürte deren Veränderung genau, als sie sich dem Ziel näherten. Sie wurde immer stiller, ihre Finger krallten sich so fest ineinander, dass die Knöchel weiß wurden. Ihre Augen blickten schmerzvoll in weite Ferne. Sie war erfüllt von Erinnerungen. Offenkundig war sie nicht hier draußen gewesen, seit sie nach Pauls Verschwinden seinen Haushalt aufgelöst und ein paar von seinen Sachen mitgenommen hatte. Wellen von Erinnerungen schienen sie völlig zu überwältigen.
Claire legte sanft eine Hand auf Amandas Schulter. „Geht es Ihnen gut?“, fragte sie.
Amanda schüttelte leicht den Kopf. „Nicht besonders. Ich hatte nicht erwartet, dass es so schwer werden würde. Und Montauk – ich weiß wirklich nicht, ob ich das überhaupt schaffe.“
„Doch, Sie schaffen das – denn Sie tun es für Ihren Sohn. Egal, wie viel Zeit Sie brauchen, um sich zu fassen und aufzuarbeiten, was Sie aufarbeiten müssen – nehmen Sie sich die Zeit. Wir werden in dem Cottage sowieso genug zu tun haben.“
„Danke“, erwiderte Amanda leise.
Marc warf Claire einen finsteren Blick über die Schulter zu. Sie wusste, was ihm durch den Kopf ging – die Uhr tickte, und ihr Rat an Amanda, sich Zeit zu nehmen, war eigentlich absurd. Claire hielt seinem Blick stand, um ihre Überzeugung zu übermitteln, dass dies die richtige Vorgehensweise war. Wenn sie Amanda zu sehr drängten, könnten sie viel weniger aus ihr rausholen. Sie musste mit ihren Gefühlen fertigwerden. Nur so würde bei diesem Trip etwas herauskommen.
Casey machte den Motor aus, lehnte sich zurück und musterte das kleine Haus aus Holzschindeln mit dem Schaukelstuhl auf der Veranda. Es war tatsächlich ein Cottage im wahrsten Sinn, nicht eins der riesigen Anwesen, das ihre gelegentlichen Bewohner als „Sommercottage“ bezeichneten. Es konnte kaum mehr als zwei Schlafzimmer und ein Bad haben, aber für einen alleinstehenden Mann, der seine Kunden hier draußen hatte, war es ideal.
Obwohl die Fenster des Vans nur einen Spalt offen standen, damit Hero frische Luft bekam, konnte man die salzige Luft riechen, was darauf hinwies, dass das Meer nicht weit entfernt war. Ein reizendes Cottage in guter Lage – Paul Everett hatte es nicht schlecht getroffen.
„Ich verstehe, warum Sie und Paul meistens hier waren“, sagte Casey taktvoll.
Amanda nickte. „Drin ist es auch sehr hübsch. Das Haus ist fünfzig Jahre alt, aber gut in Schuss. Da hat Paul wirklich Glück gehabt. Der Besitzer ist ein wohlhabender Mann aus East Hampton, der es als Geldanlage gekauft hat. Er mochte Paul. Er hat es Paul für einen Spitzenpreis überlassen, vor allem da Paul das ganze Jahr mieten wollte, nicht nur für einen Sommerurlaub. Ich denke, Paul hätte es irgendwann gekauft, wenn nicht …“ Ihre Stimme versagte.
„Dann wollen wir mal reingehen“, schlug Marc vor.
Amanda zögerte.
Casey
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