Dein Kuss in meiner Nacht
doch dazu würde es nun nicht mehr kommen. Cole hatte sich selbst aus dem Totenschlaf erweckt, ehe der Morgen graute und schlich nun durch die Gänge, bis er zu dem Raum kam, in dem er tagelang gefoltert worden war. Es gab ihm ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend, wieder hierher zurückzukommen, doch er hoffte, seinen Portalbuilder und seine Waffen hier zu finden. In diesem Raum hatte man ihn entwaffnet und, wenn er sich richtig erinnerte, dann hatte einer der Seeker seine Sachen in einen Schrank gesperrt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt noch unter Einfluss der Droge gestanden, die sie ihm verpasst hatten, doch das hatte er wahrgenommen.
Vorsichtig betrat er den Raum, bemüht, kein Geräusch zu machen. Dann schlich er zu dem Schrank und fand ihn zu seiner Erleichterung unverschlossen vor. Die Tür quietschte leise, als er sie öffnete, und sein Herz schlug schneller. Er lauschte, doch nichts regte sich. Mit angehaltenem Atem durchsuchte er den Schrank. Er fand alle seine Waffen, doch keinen Portalbuilder. Er legte die Waffen um. Sein Blick fiel auf den Schreibtisch in der Ecke gegenüber und er durchsuchte die Schubladen. Tatsächlich fand er das Gerät in der untersten Lade. Er nahm es an sich und gab die erforderlichen Koordinaten für S41Q ein, wo sich Faith und Cherryl befanden. Das Portal bildete sich vor seinen Augen, ein dunkles Nichts von der Größe eines erwachsenen Mannes. Er konnte den Sog spüren, der von dem schwarzen Loch ausging, und wappnete sich für den Übergang. Seine Gedanken waren bei Faith, als er hindurchsprang. Die Turbulenzen in dem Weltensog taten seinem geschundenen und geschwächten Körper nicht gut, doch statt sich dem Schmerz zu ergeben, dachte er an Faith' Lächeln. Er durfte sich nicht in dem Sog verlieren, denn es könnte dazu führen, dass er für immer in dieser Sphäre zwischen den Welten stecken blieb. Der Sog verstärkte sich und er landete unsanft im Wüstensand. Die Sonne würde bald aufgehen, dann würde es unerträglich heiß werden. Er musste sich beeilen, von hier fortzukommen. Im Wald würde er Schutz vor der Hitze finden.
Der Portalbuilder verfügte auch über ein Navigationssystem, und er berechnete seine Position und die Route zum Blauen Wald. Offensichtlich befand er sich nur etwa vier Stunden Weg vom Waldrand entfernt. Allerdings führte der Weg über das Gebirge zu seiner Rechten und das versprach einen anstrengenden Aufstieg. Er seufzte und marschierte los.
Als er den Wald erreicht hatte, sank er erst einmal vollkommen entkräftet zusammen. Es war schon lange her, dass er etwas gegessen und getrunken hatte. Die tagelange Folter, schlafen im Stehen an die Wand gekettet, und schließlich mehrere Stunden scheintot spielen, hatten ihn sehr geschwächt. Der Weg über das Gebirge hatte ihm den Rest gegeben. Mehrfach war er nah dran gewesen, aufzugeben. Sein Herz raste, seine Lungen brannten, und ihm wurde schwindelig. Doch der Gedanke an Faith hatte ihn dazu gebracht, sich weiterzuschleppen. Er musste zu ihr gelangen.
Ein Blick auf seinen im Navigationsmodus befindlichen Portalbuilder zeigte ihm, dass er etwa eine Stunde vom Bach entfernt war. Dort konnte er eine längere Pause einlegen.
»Also los! Faith braucht dich«, sagte er leise zu sich selbst und erhob sich mühsam.
Es war eine Tortur und er kam viel langsamer voran, als er gehofft hatte, doch schließlich erreichte er den Bach nach beinahe zwei Stunden. Kraftlos ließ er sich am Ufer ins Gras fallen und schloss die Augen. Als er wieder erwachte, war es merklich kühler geworden. Es würde bald dunkel werden. Er fühlte sich etwas besser und setzte sich vorsichtig auf. Sein Mund war trocken und er hatte einen pelzigen Geschmack auf der Zunge. Auf allen vieren kroch er zum Wasser und stillte seinen Durst. Danach legte er sich wieder auf den Rücken und starrte zum Himmel hinauf. Er würde sich ausschlafen und morgen weitergehen. Auch das Essen musste bis morgen warten. Er war nicht einmal mehr in der Lage, nach Nahrung zu suchen. Als der Himmel in leuchtendes Orange getaucht war, glitt er in den Schlaf.
***
Ich wusste, dass er da war, und entfernte mich von unserem Lager. Mit vor Freude hüpfendem Herzen ging ich zum Rand der Schlucht, wo er saß, mit dem Rücken zu mir.
Er wandte sich zu mir um und ich erschrak über den gequälten Ausdruck in seinem Gesicht. Er sah erschöpft aus und traurig.
»Warum hast du nicht auf mich gehört?«, fragte er flüsternd. »Verdammt, Faith! Warum hast du das
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