Dein Kuss in meiner Nacht
denkst.«
»Ich hab dich gar nicht gefragt, wie dir die Flucht gelungen ist. Haben die wirklich geglaubt, dass du tot bist?«, wollte ich wissen.
Cole nickte nur und zog mich noch dichter an sich heran.
»Ich bin frei. Es war hart, durch die Wüste zu kommen, doch ich hab es geschafft. Es gab Momente, in denen ich dachte, ich würde es keinen Meter weiterschaffen, doch der Gedanke, dass du mich brauchst, hat mir die Kraft gegeben, durchzuhalten. Ich verdanke dir viel, Faith.«
»Du mir? Machst du Witze? Ich bin der Grund, dass du überhaupt gefangen wurdest und all diese furchtbaren Dinge ertragen musstest. Wenn ich nicht durch dieses verdammte Portal gestolpert wäre, dann ...«
»Nein!«, unterbrach er mich scharf. »Es war nicht deine Schuld. Du konntest es doch nicht wissen. Ich bin schuld, weil ich dich nicht früh genug in mein Geheimnis eingeweiht habe. Ich hatte Angst, dass du mir nicht glauben würdest. Normalerweise meide ich näheren Kontakt zu Menschen in den Welten, in denen wir gerade operieren. Bevor ich dich getroffen habe, hatte ich nie das Bedürfnis, daran etwas zu ändern.«
»Wie lange werdet ihr in meiner Welt bleiben, du und deine Eltern?«, fragte ich mit klopfendem Herzen.
»Das ist schwer zu sagen. Kommt darauf an, wie schnell wir unsere Mission abschließen können. Vielleicht ein paar Monate, vielleicht auch Jahre.«
Mein Herz wurde schwer bei dem Gedanken daran, dass er vielleicht irgendwann wieder gehen würde. Es wäre schon schlimm genug, wenn er in eine andere Stadt oder einen anderen Staat ziehen würde, doch dann könnten wir immerhin noch telefonieren und uns E-Mails schreiben. Doch wenn er meine Welt verließ, dann würden wir keine Möglichkeit mehr haben, miteinander zu kommunizieren. Das erfüllte mich mit Traurigkeit.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Cole sanft und fasste unter mein Kinn, um mich dazu zu bringen, ihn anzusehen. »Du wirkst irgendwie traurig.«
»Ich wünschte nur, du wärst schon hier«, lenkte ich von meinen eigentlichen Gefühlen ab.
»Aber ich bin doch hier, Kerima. Kannst du mich nicht sehen, meine Stimme hören und mich spüren? Ich bin bei dir.«
»Aber nur solange, wie dieser Traum andauert. Wenn ich morgen früh aufwache, dann bist du nicht mehr da.«
»Bald. Drei Tage. Vielleicht auch schneller.«
Er küsste mich. Erst ganz sanft, doch als ich meine Arme um seinen Hals legte, vertiefte er seinen Kuss und ließ seine Zunge in meinen Mund gleiten. Es war ein aufregendes Gefühl, ihn so intim zu spüren. Mein ganzer Körper prickelte und mein Herz fing an zu rasen. Ich schloss die Augen und gab mich ganz dem berauschenden Gefühl hin. Ja, er hatte Recht. Es fühlte sich nicht wie ein Traum an. Alles war so real. Ich konnte sogar seinen angenehmen, erdigen Geruch einatmen. Viel zu schnell war der Zauber schon wieder vorüber und er löste sich von mir. In seine dunklen, verlangenden Augen zu sehen, raubte mir fast den Atem. Nie hatte ein Junge mich so angesehen. Als wolle er mich mit Haut und Haaren verschlingen. Sein Atem ging genauso heftig wie meiner. Es war ein seltsames, doch wunderbares Gefühl, zu wissen, dass er mich wollte. Auch wenn ich mir nach wie vor unattraktiv vorkam, schien er in mir etwas anderes zu sehen.
»Ich muss gehen«, sagte er leise.
»Ich weiß«, antwortete ich mit schwerem Herzen.
»Wir sehen uns morgen Nacht. Pass auf dich auf«, raunte er und strich eine Strähne meines widerspenstigen Haares aus meinem Gesicht.
Er erhob sich und unsere Blicke verschmolzen ein letztes Mal miteinander, ehe er sich umwandte und davonging. Nach einigen Metern verschwand er vor meinen Augen und ich seufzte.
»Bis morgen«, flüsterte ich.
***
Narjana drehte die Dusche ab und griff nach einem Handtuch. Kritisch betrachtete sie sich in dem großen Spiegel von allen Seiten, während sie sich abtrocknete.
»Nicht schlecht, Baby«, murmelte sie zufrieden und warf ihrem Spiegelbild einen letzten Blick zu, ehe sie in ihr Schlafzimmer ging und ihren großen Kleiderschrank öffnete.
Es klopfte an der Tür.
»Was?«, rief sie ärgerlich über die frühe Störung.
»Narjana. Es ist etwas Schreckliches passiert!«, ertönte die Stimme von Sido, einem der Seeker, der für die Bewachung der Gefangenen zuständig war.
Narjana warf sich einen Morgenmantel über und ging zur Tür, um sie zu öffnen. Sie warf Sido einen finsteren Blick zu.
»Wenn das nicht wichtig ist, dann kriegst du deine Genitalien zum Frühstück«, knurrte
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