Dein Kuss in meiner Nacht
hatte, brach er mit einem Fuß durch ein Brett. Er griff nach den Halteseilen rechts und links von ihm, um sich zu stabilisieren. Tief durchatmend verharrte er für einen Augenblick, ehe er den nächsten Schritt setzte. Er konnte hören, wie die alte Hängebrücke knarzte und ächzte, doch er ging weiter. Es war nicht mehr weit, vielleicht fünf oder sechs Schritte, als das Ächzen stärker wurde und dann passierte alles ganz schnell. Seile rissen, Planken brachen und alles krachte in die Tiefe, riss ihn mit sich.
***
Es war bereits spät am Nachmittag, als ich unser Versteck kurz verließ, um mich im Gebüsch zu erleichtern. Zum Glück hatte sich das rätselhafte Fieber wieder verflüchtigt und Cherryl ging mir schon wieder auf die Nerven.
Es war ein milder Tag gewesen und es hatte zeitweilig etwas geregnet. Die Luft hatte sich durch den Regen aufgefrischt und ich genoss die leichte Brise, die mir um die Nase wehte. Als ich mein Geschäft erledigt hatte, hatte ich noch keine Lust, wieder zu Cherryl in den hohlen Baum zu kriechen. Wir waren uns noch immer nicht so richtig grün und die Enge da drin war auch nicht gerade hilfreich. Cherryl weigerte sich, den Baum zu verlassen, obwohl ich ihr versichert hatte, dass man die Gnoggs schon von weitem hören könnte.
Ich fragte mich, ob ich den Platz wiederfinden würde, wo ich in der Nacht mit Cole gebadet hatte. Es konnte nicht weit weg sein. Ich lief einen Weg entlang, der meiner Vermutung nach zu dem Wasserfall führen müsste. Tatsächlich hörte ich nach einer Weile das Rauschen des Wassers. Ich beschleunigte meinen Schritt und nach zwei Schlenkern, die der Weg nahm, kam ich zu dem kleinen Teich. Auch bei Tag wirkte dieser Platz wie magisch auf mich. Wie ein kleines Paradies. Ich schritt über das weiche Gras auf den Teich zu, als plötzlich etwas von oben auf mich herabfiel. Es war ein Netz, das mich komplett umfing, und mich zum Straucheln brachte. Schreiend ging ich zu Boden und versuchte verzweifelt, mich aus dem Ding zu befreien. Doch mit jeder Bewegung verhedderte ich mich weiter in den Maschen des Netzes. Stimmen ertönten und ich blickte erschrocken auf. Vor mir standen drei Krieger in Lendenschurz und Sandalen. Langsam glitt mein Blick aufwärts über die mit Tattoos versehenen Oberkörper zu den bemalten Gesichtern mit der Irokesenfrisur. Ein Schrei entfuhr mir, dann spürte ich einen dumpfen Schmerz auf meinem Hinterkopf und es wurde schwarz um mich herum.
***
Cole stieß einen Schrei aus, als er in die Tiefe stürzte und grunzte, als das Seil seinen Fall jäh stoppte. Teile der Brücke rauschten an ihm vorbei in die Tiefe, während er wild hin und her schaukelte. Er schloss für einen Moment die Augen, froh, dass das Seil ihn gehalten hatte. Andernfalls wäre er in die Tiefe gestürzt und hätte sich auf den Steinen, die aus dem Wasser ragten, sämtliche Knochen gebrochen. Aber er durfte sich nicht darauf verlassen, dass das Seil ewig halten würde. Er holte tief Luft und begann, sich hinaufzuziehen. Als er beinahe oben war, rutschte er plötzlich ruckartig einen Meter tiefer. Das Seil drohte sich vom Ast abzuwickeln. Entschlossen, dass er nicht darauf warten würde, arbeitete er sich hastig weiter nach oben. Seine Hände erfassten die Kante und er fand Halt mit den Füßen in der Felswand. Gerade, als er sich an der Kante hochziehen wollte, löste sich das Seil endgültig und er fiel erneut. In seiner Verzweiflung griff er mit beiden Händen nach einem Strauch, der am Rand der Schlucht wuchs. Doch auch der Strauch würde ihn nicht ewig halten. Mit zusammengebissenen Zähnen stemmte er seine Füße in die Wand und zog sich an dem Busch hoch, bis er mit dem Oberkörper flach auf dem Boden lag. Mit letzter Kraft schwang er ein Bein über die Kante, dann robbte er weiter vorwärts, bis er seinen ganzen Körper über den Rand geschoben hatte. Erleichtert und erschöpft rollte er sich auf den Rücken. Er atmete schwer und seine Haut war aufgeschürft und brannte höllisch, doch das war ihm egal. Hauptsache war, dass er lebte und Faith retten konnte. Er musste es schaffen. Dass sie in der Sicherheit des hohlen Baumes auf ihn wartete, beruhigte ihn zumindest etwas.
Nachdem er sich etwas ausgeruht hatte, setzte er sich auf und erhob sich schließlich ganz. Er fühlte sich, als wäre er unter die Räder gekommen und wahrscheinlich sah er auch so aus. Seine Hose war vollkommen zerfetzt und Blut lief an seinem Körper hinab. Sein ganzer Leib schien eine
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