Dein Kuss in meiner Nacht
Arm lockerte er nicht. Er zog mich mit sich. Der andere Mann und die junge Frau folgten uns zu einer Art Aufzug, einem großen, oben offenen Holzkäfig, der an Seilen hinabgelassen werden konnte. Ich vermutete, dass dieser Aufzug normalerweise nur für Lasten benutzt wurde, da ich bereits beobachtet hatte, dass die Leute hier alle an den Bäumen hinauf- und hinabkletterten. Manchmal ließen sie sich sogar von einem Ast auf den nächsten fallen wie Affen.
Man verfrachtete mich in den Käfig und er wurde langsam hinabgelassen, während die beiden Krieger neben mir am Baum hinunterkletterten.
Sie kamen kurz vor mir unten an und nahmen mich in Empfang. Die junge Frau lief vorweg und ich folgte, flankiert von meinen beiden Bewachern. Sie fassten mich nicht an, doch ich wusste, sollte ich nur eine falsche Bewegung machen, dann würde ich es bereuen. Ich wollte lieber nichts riskieren, was mein Leben in Gefahr brachte. Cole zuliebe. Sonst könnte ich ihn nie wiedersehen, ihn nie besser kennenlernen.
Zu meinem Erstaunen verließen wir das Dorf. Wir folgten einem schmalen Pfad, der sich endlos durch den Dschungel zu schlängeln schien. Auf dem schmalen Weg konnte nur noch einer der beiden Wachen neben mir gehen. Der andere folgte hintenan. Ich überlegte, ob es möglich wäre, ihnen hier zu entkommen. Ich müsste mich rechts oder links vom Pfad ins Gebüsch schlagen, doch das Unterholz hier war sehr dicht, und ohne eine Machete und noch dazu mit zwei Kriegern, die mir auf dem Fuß folgen würden, schien es aussichtslos. Missmutig verwarf ich den Gedanken wieder.
›Wo bist du jetzt Cole?‹, fragte ich stumm. ›Ich weiß nicht, wie ich das hier durchstehen soll. Bitte beeil dich.‹
Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir schon gelaufen waren, als der Pfad plötzlich auf eine Lichtung mit einem tempelartigen Bau führte. Zwei Frauen standen davor. Sie waren in orangefarbene, lange Gewänder gekleidet und hatten Blumenkränze auf ihren langen schwarzen Haaren. Wir betraten den Tempel und die beiden Frauen folgten uns. Vielleicht waren sie so etwas wie Priesterinnen. Im Inneren des Tempels führten breite Stufen zu einem Altar hinauf. Dort stand eine Person in orangefarbenem Gewand mit goldenen Verzierungen. Auf den Schultern der Person thronte der Kopf eines Gnoggs. Ich fragte mich, ob ich hier ein übernatürliches Wesen vor mir hatte, oder ob unter dem Tierkopf ein Mensch steckte. Erschreckend war der Tiermensch auf jeden Fall und als wir näher traten, begannen seine Augen grün zu leuchten, wie zwei Smaragde. Mein Herz schlug schneller und ich spürte, wie mir die Knie weich wurden. Meine Kehle war plötzlich unerträglich trocken.
Die beiden Priesterinnen erklommen die Stufen und stellten sich rechts und links von dem Tiermenschen auf, der wohl der Hohepriester von diesen heidnischen Barbaren war. Ich fragte mich bange, was man hier mit mir vorhatte. Als man mich aus meiner Hütte abgeholt hatte, dachte ich, man wolle mich nur baden und neu einkleiden. Doch nun sah es ganz so aus, als müsse ich mich irgendeinem Ritual unterziehen. Der einzige beruhigende Gedanke für mich war, dass man wohl kaum die Braut des Kannibalenhäuptlings auf dem Altar opfern würde, dessen dunkle Flecken mir ein seltsames Gefühl in der Magengegend verschafften. Meine verdammte Fantasie folterte mich mit Bildern von blutigen Opferritualen auf diesem Stein. Ich musste trocken schlucken.
»Oh, Cole«, wisperte ich.
***
Je weiter sie in den Dschungel vordrangen, desto verwachsener wurde er. Cole musste immer wieder den Weg freischlagen, damit sie vorankamen. Cherryl schlug sich wider Erwarten recht gut. Sie schien ehrlich besorgt um Faith. Die erste Stunde hatte sie ihn alle fünf Minuten mit der Frage »Was ist, wenn wir zu spät kommen?« gelöchert. Doch seitdem er sie etwas unwirsch aufgefordert hatte, den Mund zu halten, schwieg sie tatsächlich. Er hörte sie nur hin und wieder leise fluchen, wenn sie irgendwo hängen geblieben war, doch sie bat ihn nicht ein einziges Mal um Hilfe. Cole hatte eigentlich nichts dagegen, dass sie redete, er wollte nur diese eine Frage nicht mehr hören, denn er hatte sie sich schon selbst unzählige Male gestellt und das machte ihn ganz verrückt. Er durfte nicht zu spät kommen. Es war ganz und gar ausgeschlossen. Der Gedanke, dass irgendein Barbar Hand an sein Mädchen legen könnte, brachte ihn zur Weißglut und er musste jedes Mal die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzuschreien.
»Ist es
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