Dein Kuss verraet mir alles
war ungehe uer. Das Telefon klingelte ständig, und das Telefax stand ebenfalls nie still. Tess war gedrängt worden, es zu lernen, wie man mit all dem umging, auch mit dem Computer, damit sie mithelfen konnte, dringende Emails anzunehmen und die Nachrichten zu den verschiedenen. Rindfleischherstellern, Futterplätzen und Käufern zu senden.
“Aber ich bin nicht ausgebildet!”, beklagte sie sich bei Leo und Rey.
Die grinsten nur. “Das schaffst du schon. Nur keine Aufregung”, ermutigte Leo sie.
“Solange wir genug weiche Brötchen und Erdbeermarmelade und Apfelbutter haben, wird das überhaupt kein Problem sein”, versicherte Rey ihr. “Wenn die Dinge zu hektisch werden, bestellen wir uns das Essen von auswärts.”
Und das taten sie dann auch oft genug in den kommenden Wochen. Eines Abends kamen zwei Pizza-Lieferwagen angefahren und entluden genug Pizzen für das gesamte Sekretariat, das Verkaufspersonal und die Cowboys, ganz zu schweigen von den Brüdern. Überstunden waren angesagt, und die Brüder waren fordernde Vorgesetzte. Sie vergaßen allerdings nicht, sich für die Loyalität und die Opfer der Leute, die für sie arbeiteten, dankbar zu erweisen. Sie zahlten gute Löhne.
“Warum gibst du niemals Geld für dich selbst aus?”, fragte Leo sie eines Abends, als Tess mit glasigen Augen vom Computer aufstand.
“Was?”
“Du trägst dieselben Kleider, die ich im letzten Jahr an dir gesehen habe”, stellte er fest. “Möchtest du nicht mindestens eine neue Jeans und ein paar Tops haben?”
“Daran habe ich nicht gedacht”, gestand sie ein. “Ich habe die Löhne gleich auf mein Sparkonto eingezahlt. Vielleicht sollte ich tatsächlich mal einkaufen gehen.”
“Das solltest du.” Er lehnte sich zu ihr herüber. “Tu’s, sobald wir aufgeholt haben!”
Tess stöhnte. “Wir holen nie auf! Ich hörte, wie Fred sagte, dass er lernen müsse, mit einem tragbaren Computer umzugehen, damit er die Rinder auf dem unteren Weideland scannen kann. Der Arme war den Tränen nahe.”
“Wir haben noch mehr Helfer eingestellt”, erklärte Leo.
“Ja, aber die Arbeit wurde dann auch mehr! Es wird niemals enden”, jammerte sie. “Wenn diese dummen Kühe nicht aufhören, Kälber…!”
“Halt den Mund, Tess. Du verhöhnst den Profit!”
“Ich weiß, aber …”
“Wir sind alle müde”, versicherte Leo ihr. “Es dauert nicht mehr lange, dann lässt es nach. Du musst wissen, dass wir Zahlen für fünf Ranches zusammenstellen”, fügte er hinzu. “Und das ist noch nicht alles. Wir müssen jedes neue Kalb mit seiner ganzen Entwicklung verzeichnen. Wir müssen das Geburtsgewicht festhalten, die proportionale Gewichtszunahme, die durchschnittliche tägliche Gewichtszunahme sowie die Fütterungsangaben. Außerdem müssen wir die Listen überprüfen von Rindern, die eingegangen sind oder aussortiert wurden, Rinder, die wir verkauft und Rinder, die wir gekauft haben.”
“Das weiß ich. Aber mir wird schon übel von den Pizzen, und ich vergesse, wie man weiche Brötchen macht.”
“Der Himmel behüte uns davor!”, rief Leo theatralisch aus, nahm den Stetson vom Kopf und hielt ihn an sein Herz.
Tess war zu müde, um zu lachen, aber sie lächelte zumindest.
Sie schleppte sich den langen Korridor hinunter zu ihrem Zimmer über der Garage. Sie fühlte sich tatsächlich so ausgelaugt, wie sie aussah.
Auf dem Flur begegnete sie Cag, der aus Richtung der Garage kam im dreiteiligen, grauen Anzug mit burgunderroter Krawatte und cremefarbenem Stetson. Er war gerade zurückgekommen von einer Treuhandversammlung in Dallas und wirkte weltgewandt und unnahbar.
Tess nickte kühl zum Gruß und wollte sich mit abgewandtem Kopf an ihm vorbeidrücken.
Doch Cag stellte sich ihr in den Weg, legte seine kräftige Hand unter ihr Kinn und hob es leicht an. Er sah Tess an, ohne zu lächeln. “Was haben die mit dir gemacht?”, fragte er kurz angebunden.
Die Bemerkung schockierte sie, auch wenn Tess sie nicht ganz verstand. Cag würde sich niemals um sie sorgen, und das wusste sie. “Wir sind alle mit der Aufzeichnung der Herden beschäftigt, sogar der alte Fred”, antwortete sie verdrossen. “Wir sind müde.”
“Ja, das weiß ich. Jedes Jahr um die gleiche Zeit ist es wie ein Albtraum. Bekommst du genug Schlaf?”
Tess nickte. “Ich kenne mich mit den Computern nicht so gut aus, und es fällt mir schwer, das ist alles. Die Arbeit selbst macht mir nichts aus.”
Cag ließ noch einen Moment lang die Hand
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