DEIN LETZTER TANZ
vertraulichen Dokumenten schnüffeln, oder? Das kannst du nicht bringen!“
„Bleibt mir denn etwas anderes übrig?“
„Vielleicht wäre es doch besser, wenn du ihn nach den Unterlagen fragst.“
„Das würde ich ja gern, aber ich weiß genau, dass er mich nicht in die Personalakten schauen lässt. In solchen Dingen ist er mehr als pingelig. Er meint, dass er allein für alles verantwortlich ist, und außerdem sieht er in mir doch immer noch das kleine Kind, das von nichts eine Ahnung hat.“ Sie seufzte. „Hör zu, ich weiß, dass man so was nicht macht, und ich fühle mich auch alles andere als wohl dabei, ehrlich. Aber wenn wir diese Spur weiterverfolgen wollen, geht es eben nicht anders. Dann müssen wir es einfach machen.“
„Wir?“ Keisha schüttelte den Kopf. „Nee, halt mich da mal schön raus. Wenn du mich fragst, bist du gerade dabei, eine riesige Dummheit zu begehen.“
„Du hast ja recht“, gab Donna zu. „Aber was soll ich denn machen? Ich habe einfach das Gefühl, dass hinter der Sache viel mehr steckt, als wir bisher annehmen, und deshalb muss ich unbedingt mehr herausfinden, egal wie.“ Sie wusste selbst, dass es nicht gerade eine Spitzenidee war, sich in das Büro ihres Dads zu schleichen und unerlaubt in vertraulichen Unterlagen zu stöbern. Aber was sollte sie denn sonst machen?
Keisha dachte einen Moment nach, dann nickte sie. „Irgendwie kann ich dich ja verstehen. Aber du musst auch meine Lage sehen. Ich kenne deine Eltern kaum. Wenn sie mich erwischen, wie ich in ihr Zuhause einbreche … Tut mir leid, aber ich kann da nicht mitmachen.“
„Schon klar.“ Ein bisschen enttäuscht war Donna natürlich schon. Andererseits konnte sie aber auch verstehen, dass Keisha es nicht riskieren wollte, Schwierigkeiten zu bekommen. Wenn ihr Vater seine eigene Tochter beim Herumschnüffeln erwischte, war das eine Sache. Sicher würde er stocksauer sein, sich aber früher oder später auch wieder einkriegen. Immerhin war und blieb sie sein Kind – ganz im Gegensatz zu Keisha, bei der es sich für ihn um eine Fremde handelte.
Ganz wohl war Donna zwar nicht dabei, die Sache allein durchzuziehen, aber sie spürte, dass es nicht anders ging. Und wenn diese Anschläge und Brunos Doppelleben tatsächlich irgendwie zusammenhingen, würden ihre Eltern ihr eines Tages für ihren Einsatz dankbar sein.
Die Abendvorstellung war noch im vollen Gange, als Donna sich nach ihrem Auftritt aus dem Zelt schlich. Alle Blicke waren auf Gavin gerichtet, der gerade seine Zaubershow aufführte, sodass es ihr gelang, unbemerkt zum Bürowagen ihres Vaters zu gelangen.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie die Hand nach dem Türknauf ausstreckte.
Geheuer war ihr die Sache keineswegs, immerhin drang sie soeben in das Büro ihres Vaters ein, um dort heimlich in Personalakten herumzuschnüffeln. Für Donna, die in ihrem Leben noch nicht mal einen Lippenstift geklaut hatte, war das Nervenkitzel pur – und gleichzeitig machte sie sich schwere Vorwürfe. Doch es ging nun mal nicht anders, da musste sie jetzt einfach durch. Es galt, mehr über Bruno herauszufinden.
Donna fand das Ganze höchst merkwürdig. Und verrückt: Lange Jahre war der Clown mit dem Zirkus ihrer Eltern durch das Land gereist, und nie war ihr irgendetwas Seltsames oder Ungewöhnliches an ihm aufgefallen.
Oder doch?
Sie zog die Brauen zusammen. Jetzt, wo sie genauer darüber nachdachte, fiel ihr tatsächlich etwas ein: Sie erinnerte sich, dass Bruno ungefähr zwei- bis dreimal im Monat für jeweils ein paar Tage verschwunden war, und zwar immer an spielfreien Tagen. Das war nicht wirklich ungewöhnlich. Viele im Zirkus nutzten freie Tage, um mal wegzukommen. Allerdings war er in dieser Zeit wirklich für niemanden in irgendeiner Form zu erreichen gewesen, nicht einmal bei einem Notfall. Aber da ihre Eltern stets im Voraus informiert gewesen waren, hatte niemand jemals daran Anstoß genommen.
Seltsam war es dennoch, und für Donna sprach das alles noch dafür, dass Bruno all die Jahre über ein Doppelleben geführt hatte und gezwungen gewesen war, ab und an auch einmal in seiner anderen, echten Identität aufzutreten.
Dass sie daran nicht schon eher gedacht hatte! Vielleicht hätte ihr Vater sie dann etwas ernster genommen. Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie kannte ihn genau – er wollte von der Sache nichts wissen, und daran würde sich erst etwas ändern, wenn sie mit handfesten Beweisen kam.
Auf jeden Fall aber würde sie so
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