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verkauften Exemplaren des letzten Romans läÃt sich der Klavierunterricht der Tochter jedenfalls nicht bezahlen, geschweige denn 150 Quadratmeter Altbau plus Büro in bevorzugter Lage Kölns. Das ist auch ein O-Ton, aber des Lesers 2007: »Nicht nur Männer, deren Verehrer mehr als Freund ich mich nennen konnte, auch Freunde, Theure! auch solche, die nicht ohne wahrhaften Undank mir eine Theilnahme versagen konnten â lieÃen mich bis jetzt â ohne Antwort, und ich lebe nun volle 8 Wochen in diesem Harren und Hoffen, wovon gewissermaÃen meine Existenz abhängt. Schämen sich denn die Menschen meiner so ganz?« Jetzt nicht mehr weiter, nicht mehr den Allgemeinen Grund zum Empedokles, sitzt der Leser, der seine »frugale Lebensart« zu ändern gedenkt, doch bereits in der S -Bahn nach Charlottenburg und schauen ihn die Mitreisenden schon komisch an, wie er närrisch auf seinem Laptop tippt. Wenn er jetzt noch den vierten Band Hölderlin aus dem Rollkoffer hervorholte, um das nächste Zitat abzuschreiben, das ihm durch den Kopf schwirrt, fangen sie an zu kichern. Ohnedies reicht die Zeit nicht, in vier, fünf Stationen erwartet ihn der Leiter der Findungskommission am Gleis. Vielleicht kann der Leser in der Nacht fortfahren, wenn er ohnehin nicht schlafen kann, oder nach der Beerdigung auf der Fahrt nach Köln.
Ob es eine Zeitung zum Kaufen gebe, fragt er am Freitag, dem 13. April 2007, den Schaffner, der die Nacht mit der Ruhe von hunderttausend Kilometern gegen halb sieben beendet. Wo denken Sie hin? entgegnet der Schaffner und holt eine Klarsichtverpackung hervor: Wenn so das Frühstück aussieht. Auf die Schweinsleberwurst, die ihm die Deutsche Bahn auf die eingeschweiÃte Brötchenhälfte schmieren will, verzichtet der Vorbeter lieber, zumal er sich bereits rituell gereinigt hat, um sich Schuhe und Socken nicht auf der Friedhofstoilette auszuziehen. Ohne die kultischen Vorschriften im Detail zu kennen â so viel weià er, daà die Scharia vor dem Totengebet nicht den Verzehr von Schweinefleisch nahelegt.
Als er ans offene Grab trat, schlotterten ihm die Knie wie noch bei keinem Auftritt. Das Zittern verging rasch. Die Worte beruhigten ihn und ebenso die Gesten. Schon das Wort Allâh , mit dem das Gebet anfängt, breitete sich wie eine Wärmepackung im Körper aus. Das verdoppelte, durch die Heranführung der Zunge an den oberen Gaumen emphatische /l/ des bestimmenden Artikels al verdunkelt auch das ewige /âh/ und versetzt den Schädel ähnlich in Schwingung wie das indische Om . Anders als beim Om entlädt sich die demütige Anspannung allerdings in dem herausposaunten akbar mit seinen beiden hellen kurzen /a/, die offenen Hände dabei erhoben neben den Ohren, als ob man das Echo des eigenen Rufes einfangen müÃte, eines Rufes über die Erde: GröÃeres gibt es als uns. Das takbîr , also daszweifache Allâhu akbar strukturiert das Totengebet, bei dem man sich anders als im täglichen Ritus nicht zwischendurch niederwirft. Weshalb eigentlich nicht? fragt sich der Freund aus Köln und vermutet neben pragmatischen Gründen, daà es mit der Situation des Todes zusammenhängt. Vielleicht zwinge oder erlaube sie, mit Gott von gleich zu gleich zu sprechen, obwohl Gott natürlich niemals gleich ist. Im Leben braucht es etwas anderes, etwas GröÃeres als MaÃstab, damit die Menschen gleich sind. Dem ersten takbîr folgt das Glaubensbekenntnis mit der Formel Lâ ilâha ilallâh , deren mantrische Qualität (der Eignung zum dhikr oder zekr , wie es die Sufis nennen) sich jedem sofort erschlieÃen sollte, der es einmal in annähernd richtiger Aussprache aufsagt, mit den emphatischen und den doppelten Konsonanten, der Rhythmisierung durch die hellen kurzen und dunklen langen /a/: ilal â loaaaaah, die / l / in der Mitte tief in den Hals. Der Mystiker Halladsch führte sein Leben lang immer nur das helle Lâ ilâha auf den Lippen, die Verneinung, Lâ ilâha, lâ ilâha, lâ ilâha , tagein, tagaus »Es gibt keinen Gott!« auf dem Basar, in den Gassen und in der Moschee »Es gibt keinen Gott!«, beim Aufwachen und Einschlafen, zum Gebet und als Predigt das helle »Es gibt keinen Gott!«. Erst als Halladsch zur Hinrichtung geführt wurde, gelangte er zur anderen Hälfte: ilallâh ,brüllte er in die Menge mit dem emphatischen /l/ vor dem Ausklang und
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