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Brüder, sich wärmer anzuziehen, um sich nicht zu erkälten, zuverlässige Autos zu kaufen statt alte Limousinen, einen geregelten Beruf zu ergreifen. Der Vater hat für den Sohn gebetet, nicht der Sohn für den Vater. Letzte Woche hätte sich der Sohn nicht vorstellen können, daà der Chef des Herzzentrums den Vater, und sei es im Hubschrauber, nach Siegen zurückschicken würde, also wird auch nächste Woche, darauf rechnet der Sohn, etwas eintreten, was ihm heute ausgeschlossen scheint, etwa daà er mehr als einen halben Satz versteht oder der Vater selbst seine Scham bedeckt. Wie glücklich war der Sohn, er sagt es sich immer wieder, bereits einzelne Reflexe zu registrieren: Als die Schwester das Bett machte, deutete er mit den Händen an, neben sich das Laken von der Matratze abzuziehen, einer jungen Frau also zu helfen, der alte Charmeur. Der Vater breitete die Hände zum Preis Gottes aus, als der Sohn ihm berichtete, daà die Frühgeborene bereits vier Kilogramm wiege. Als der Vater ihn aufforderte, nachzuschauen, ob das Portemonnaie noch im Koffer liegt, befürchtete der Sohn schon eine neue Manie â im Herzzentrum hatte der Vater ständig nach allem möglichen gefragt â, so daà er, der Sohn, Erklärungen dafür vortrug, warum das Portemonnaie natürlich nicht im Koffer liegen konnte. Viel später bat der Vater den Sohn, der Ãlteren in seinem Namen zehn Euro zuzustecken. Daà das Geschenk für die Ãltere der Grund gewesen war, warum er das Portemonnaie haben wollte, begriff der Sohn gar nicht; erst die Ãltere entdeckte es ihm auf der Autobahn. Als sie am Freitag und gestern wieder am Krankenbett stand, trat das erste Mal seit der Operation etwas wie Freude in die Augen des Vaters, neben der Ãberraschung. Genau deshalb hatte der Sohn sie mitgenommen, nicht wegen ihr, die zu überfordern er einkalkuliert, sondern wegen des Vaters. In einem der Romane, wie er sie früher schrieb, sagt ein Sohn, daà sein Kind geboren werden soll, damit sein Vater es und es seinen Vater noch sieht. Daà darin eine AnmaÃung liegt, gestand sich der Sohn seitdem oft ein. Aber wie er jetzt Zeuge der Liebe wurde, die unverstellter und offensiver ist oder sein kann, wenn sie durch eine Generation getrennt wird, wenn die Reibungen der Erziehung und der Ablösung, des Alltags und der Krisen fehlen, sagte er sich doch: Ja, vielleicht ist mit der Ewigkeit nichts anderes gemeint, nichts Metaphysisches, vielmehr das Irdische als solches, das Blut, wie es weiterflieÃt, das Herz, das in einer anderen Brust schlägt. Zugleich wurde selbst der Ãlteren die Vergänglichkeit so konkret faÃbar wie ein Stück Brot: Das wird aus uns, sagte sie auf der A 4, mehr zu sich selbst als zu den Eltern. Sie wird für die Eltern beten, sie streicheln, ihnen Mut zusprechen. Ihre Kinder werden beten, streicheln, Mut zusprechen. Das Kreuz des Bildhauers, das den Sohn weiterhin ratlos macht, weil er ihm glauben muÃ, steht wieder schräg hinterm Computer, dazwischen die Weinflasche. Die evangelische Kirche wollte es nicht haben, keine einzige Kirche in Deutschland. Die Nachbarn im Haus gegenüber wird es irritieren, wenn er sich mittags, vor und nach dem Sonnenuntergang, manchmal auch frühmorgens und nachts nach vorn beugt und niederwirft, hockt und wieder aufsteht, nicht vor, nicht zum, aber doch neben dem Kreuz. Die gesamte Querwand seines Büros ist aus Glas, man sieht ihn gut und hört bei offenem Fenster seine Musik, das Klassikforum und das Studentenradio.
3:35 Uhr auf dem Laptop, Donnerstag, 23. August 2007, vier Sterne. Wenn der Film vom Vater einmal im Dunkeln angelaufen ist, kann er nicht mehr einschlafen, idiotisch, daà er es mit dem Kosmetiktuch in der Hand überhaupt versucht, statt sofort den Laptop aufzuklappen oder Jean Paul. Da ja doch kaum jemand die Mühe auf sich nimmt, das abgelegene Buch eines ohnehin abgelegten Klassikers sich vorzunehmen, schreibt der Leser zur Anschauung der konsequenten Selbstreferentialität und vielleicht um sich Mut zu machen einmal die zwei Absätze vor dem vierunddreiÃigsten Sektor vollständig ab, der Ottomars postmortale Rede ankündigt: »âºUnd hierâ¹ â sagen Romanen-Manufakturisten â âºerfolgte ein Auftritt, den der Leser sich denken, ich aber nicht beschreiben kann.â¹ Das kommt mir viel zu dumm vor. Ich kann es auch nicht beschreiben,
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