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Diplomat verwendete das arabische Wort taqiya , das im schiitischen (und nur im schiitischen) Recht die Erlaubnis anzeigt, in Zeiten der Verfolgung den eigenen Glauben zu verleugnen, wenn sonst der Tod droht (und nur der Tod). Heute ist in Europa oft zu lesen, die Muslime würden taqiya üben, wenn sie sich etwa zur Verfassung bekennen. Auch ich werde öfter darauf angesprochen, ob ich mit meinem Bekenntnis zur Aufklärung, zur Gleichberechtigung oder was immer ich gerade bekunde, nicht taqiya üben würde, was genau betrachtet schon dumm ist, da ich kaum eine wahre Antwort gäbe, wenn der Verdacht stimmte. Dagegen den Bahais ist die Wahrheit selbst unter Lebensgefahr aufgetragen, wie sogar die Eltern wuÃten, die sonst fast nichts über Bahais wissen, aber offenbar nicht der britische Diplomat.: Ich muà Sie darauf hinweisen, daà wir die Stelle nur an einen Bahai vergeben, sprach er GroÃvater wegen arglistiger Täuschung die Kündigung aus.
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Madjid Kawussifar (1979; 2. August 2007 Teheran) ( Bildnachweis )
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Von Madjid Kawussifar wird berichtet, daà er zusammen mit seinem Neffen Hossein den Richter Hassan Moghadass erschossen haben soll, der zahllose Oppositionelle verurteilt hatte. Auf einem Motorrad warteten sie vor dem Irschad-Gericht in der Ahmad-Qasir-StraÃe, der Bukarest-StraÃe des alten Teheran. Einer der beiden jungen Männer feuerte zwei Kugeln auf den Kopf des Richters, von denen die erste tödlich gewesen sein soll, heiÃt es in der Meldung der BBC vom 2. August 2005 unter Berufung auf den Polizeichef von Teheran. Woher der Polizeichef wuÃte, welche die erste der beiden Kugeln war? Er irrte sich doch sogar in der Anzahl der Täter. In der Meldung der BBC war nur von einem Täter die Rede, der zugleich Schütze und Fahrer gewesen sein soll. Auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Anschlag wurden am Tatort Madjid und Hossein Kawussifar öffentlich hingerichtet.
Hossein ist nur ein paar Jahre jünger als sein Onkel gewesen. Auf den Bildern und Videos von der Hinrichtung, die im Internet verstreut sind â nur ein Blogger namens Spartakus und die Internet-Zeitung Rooz scheinen sich für die beiden weiter interessiert zu haben â, ist Hossein Kawussifar seltener zu sehen. Indem er seine Gefühle beherrscht, bewahrt er die Würde, die einer nur irgend bewahren kann, der zum Galgen geführt wird. Madjid Kawussifar hat mehr getan, Wundersames. Madjids Bilder haben sich mir auf den ersten Blick eingebrannt, genau gesagt das Bild, das ich auf der Ladentheke unseres iranischen Händlers auf der Titelseite der Londoner Exilzeitung Keyhan entdeckte, das ist mir so viel näher gegangen als die Bekannten, die man so trifft, oder die groÃen Künstler, die so sterben, wie drei Tage zuvor George Tabori oder letzte Woche Ingmar Bergman, daà ich ihn aufnehmen muÃte in mein Totenbuch, obwohl ich ihn gar nicht kenne und im Internet fast nichts über ihn herausgefunden habe. »Die Gleichgültigkeit und das Grinsen der Angeklagten bis zum Augenblick der Exekution machten den Richter wütend«, heiÃt es in der Bildzeile der Exilzeitung.
Nur Madjid hat gegrinst, während Hossein eingeschüchtert wirkte, verloren, und es war auch kein Grinsen, keine Gleichgültigkeit; es war ein Lachen, ein richtiges Lachen, auf diesem wie auf den anderen Bildern, manchmal ein zärtliches Lächeln wie auf dem Weg durch eine Menge von vermummten Polizisten zum Galgen, manchmal ein fröhliches Hallo wie in der Szene, als er mit den hinten gefesselten Armen winkt, also die Hände zur Seite führt und zu einem oben offenen Dreieck öffnet. Erst später las ich, daà es sich um einen Gruà handelte und wem er galt, einem Freund oder Verwandten, der im Publikum stand.
Das Publikum: zwei-, dreihundert vielleicht. Aus einem Fenster schauen zwei im weiÃen Kittel herunter, Ãrzte wohl. Ein paar lächeln, die meisten gaffen nur, so auch die Polizisten, die die Stätte absperren. Niemand schreitet ein, niemand empört sich. Die Mutter soll geschrien haben: »Gott, gib mir meinen Sohn zurück«, die Mutter von Madjid oder von Hossein. Sogar Kinder sind im Publikum, ein Mädchen jedenfalls, keine fünf Jahre alt. Welche Barbarei, denke ich, nicht nur die Hinrichtung als solche, die ganze Situation, eine moderne GroÃstadt, eine breite StraÃe, Asphalt und Bäume, Hochhäuser, zwei Lastwagen
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