Dein Name
fiel in die Mitte ihres Lebens, war ein weiterer Unterbruch in ein Davor und Danach. Moderne bedeutete für die Generation der GroÃeltern: daà Soldaten auf der StraÃe die Mutter, Tante, GroÃmutter, Schwester auf der StraÃe anhielten, »Schleier runter!« brüllten, die Mutter, Tante, GroÃmutter, Schwester verängstigt zu Boden schaute, die Soldaten ihr den Schleier vom Kopf rissen. Moderne bedeutete, daà die Männer 1926 von einem auf den anderen Tag nicht mehr in ihrer traditionellen Kleidung auf die StraÃe gehen durften, sondern westliche Anzüge tragen â und das hieà für viele: sich über Nacht besorgen muÃten, wenn sie am Morgen auÃer Haus zu tun hatten. Wie lächerlich man aussah in diesen unförmigen Beinröhren, murrten vor allem die Ãlteren, wie unbequem die steifen Jacken, wie unpraktisch diese Anzüge der Franken speziell im Sommer! Wofür Europa dreihundert Jahre brauchte, eine Entwicklung, die sich so langsam durch die gesamte Gesellschaft zog, daà man die Veränderung meist nur im Rückblick wahrnahm, wurde in Iran von oben verordnet und mit Polizeigewalt durchgesetzt. Ja, die Moderne war vor allem anderen, vor aller Faszination, aller Befreiung, allem Aufbruch, denen GroÃvater in seiner Selberlebensbeschreibung breiten Raum gibt, zunächst eine Gewalterfahrung. Die Moderne war eine Monstrosität, ein Ungeheuer, das nett tat und böse zuschlug. Verwunderlich ist nicht ihr Scheitern. Verwunderlich ist, daà sie ihr Scheitern bis 1978 so gut überspielen konnte, daà nicht nur die Geheimdienste der Vereinigten Staaten, sondern auch viele Iraner von der Islamischen Revolution überrascht wurden. Als das Tragen des Kopftuchs 1980 per Gesetz angeordnet und mit Polizeigewalt durchgesetzt wurde, war GroÃvater noch wütender als vierundvierzig Jahre zuvor beim Kopftuchverbot. Er spürte die Spannung ja in sich selbst. So republikanisch seine Ansichten, so weltlich seine Bildung, so groà seine Bewunderung für die Franken, war es für ihn immer selbstverständlich, daà eine Muslimin das Haar bedeckt. Seine drei Töchter muÃten das Kopftuch jedenfalls tragen, wenn sie aus dem Haus gingen, auch nach 1936, sobald die Polizei nicht mehr eingriff. Hinter der ersten StraÃenecke nahmen die Töchter es ab. Ein Kopftuch zu tragen war in den vierziger, fünfziger Jahren für ein bürgerliches Mädchen einfach unmöglich, sagt die Mutter, nicht bloÃ, daà es verboten war, zumal in der Schule, auch die Freundinnen hätten sie verspottet. Neben der Frömmigkeit war es sicher auch der Widerwille gegen den Schah, weswegen GroÃvater das Gebot hochhielt. Jedoch geschah es öfter, daà er auf der StraÃe einer der Töchter über den Weg lief, ihre Haare offen. Dann wandte er jedesmal den Blick ab oder wechselte die StraÃenseite, als habe er nichts gesehen. Auch zu Hause ging er nie auf den Vorfall ein, bestand nur weiter darauf, daà die Töchter das Haar bedeckten, wenn sie das Haus verlieÃen. Die Mutter und ihren beiden jüngeren Schwestern waren keine, die sich gängeln lieÃen. Sie hatten ihre Meinung. â Vater, was ist denn das für eine Religion, fragte die Mutter als junges Mädchen, daà sie Steinigungen vorsieht? Dann wurde GroÃvater zornig, nicht über seine Tochter, sondern über die Mullahs, die die Steinigungen rechtfertigten. Diese drakonischen Strafen seien dafür da, jede einzelne von ihnen, niemals vollzogen zu werden, sagte er erregt, und ging für jede einzelne die Bedingungen durch, für das Abhacken der Hand, das Schlagen der Ehefrau und die Steinigung bei Ehebruch: Dieben die Hand zu amputieren diente unter den gesetzlosen Umständen der Frühzeit allein zur Abschreckung, mit dem Schlagen der Ehefrau ist nur ein symbolischer Schlag mit einem Zahnstocher auf den Handrücken gemeint, wie es der Prophet vorführte, und beim Ehebruch müssen vier Zeugen nicht nur anwesend sein â und zwar beim Vollzug â, sondern sie müssen eine Schnur zwischen den beiden Verdächtigen ziehen, von ihren FüÃen bis zu ihren Köpfen. Was soll das wohl bedeuten, na? Ist das realistisch? Kann man sich eine Situation vorstellen, in der vier männliche Zeugen einen Mann und eine Frau beim Liebesakt erwischen und die beiden seelenruhig aufeinander liegenbleiben, damit zwischen ihnen eine Schnur hochgezogen werden
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