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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Buschher sandte, sondern an Behörden oder hohe Beamte im ganzen Land. Auf die Schnelle überhaupt nicht zu ermitteln ist ein Yamin ol-Mamalek; vielleicht meint Großvater einen Yamin ol-Molk, der unter den zweihundert Verhafteten auftaucht. Zum Glück beziehungsweise wegen des Unglücks seines Rückenleidens verbringt der Enkel den 13. Januar 2008 in der Wohnung, wo ich dem Prophetenwort, das Wissen zu suchen, und sei es in China, per Standleitung genüge. Wiewohl der drahtlose Empfang ausgefallen ist – was heißt ausgefallen?, ich schaltete vor ein paar Tagen das Gerät aus, um nicht pausenlos bis nach China verbunden zu sein, bedachte jedoch nicht, daß ich beim Einschalten das Paßwort benötige –, wiewohl ich also für jede Recherche unter den Schreibtisch der Frau kriechen muß, um meine Allmacht um Allwissenheit zu erweitern, treibe ich dennoch Magie im Vergleich zu früher, als ich in Bibliotheken stöberte, in denen Bücher nach Namen, Ländern, Epochen, Sprachen und Gebieten geordnet, das Gefundene also in einem wie immer gearteten Zusammenhang mit dem Gesuchten steht. Jetzt erfahre ich bei der Suche nach Seyyed Zia Tabatabaís Telegramm, daß die Schauspielerin gleichen Namens die Villa des ehemaligen DDR -Ministerpräsidenten Otto Grotewohl in Berlin-Pankow gekauft hat, oder blättere in Iran-Dossiers des CIA , darunter top secret die Transkription eines 1986 abgehörten Gespräches zwischen einem hochrangigen amerikanischen Militär und Gesandten Teherans in Mainz, die den Iran-Contra-Deal einfädelten. Es böte Material für ein Theaterstück: »If it ever became known we have done this, we would be finished in terms of credibility as long as president Reagan is president«, sagt der amerikanische Militär auf Seite 143 und achtzehn Seiten später: »I’ll tell you what bothers me. The German security service is all over here.« Na gut, die Deutschen halten still, das muß er doch wissen. Daß der CIA dem Weißen Haus für den Fall eines amerikanischen Einmarsches im Irak ein fundamentalistisches schiitisches Regime mit engen Verbindungen zu Teheran ankündigte, ist mir genauso neu wie im Wortlaut das Entsetzen der libanesischen Hisbollah von 1997 über die Wahl eines Reformers zum iranischen Präsidenten, dem sie offiziell gratulierte. Die Intrigen und Lagerbildungen der vierziger Jahre waren noch verworrener: »The Shah has taken a stand in favor of Mossadeq and at left since 17 September has refused to listen to British entreaties to rally opposition in favor of Seyed Zia Tabatabaí«, funkte der CIA ans Weiße Haus, um wenig später den Schah, der von Premierminister Mossadegh ins Exil getrieben worden war, zurück an die Macht zu putschen. Was aus Seyyed Zia wurde, hat der Enkel so schnell nicht ermitteln können. Das Problem ist auch, daß ihm die Frau grollt, weil er heute morgen schon ein paarmal ohne Vorankündigung unter ihren Schreibtisch gekrochen ist, um das Internetkabel aus ihrem Computer zu ziehen, das sie für ihre Arbeit ebenfalls braucht. – Ich denke, du hast Rückenschmerzen, schimpft sie. Mit dem letzten Link, den er noch anklicken konnte, schnappte er auf, daß Seyyed Zias Haus nach seinem Tod Ende der sechziger Jahre zum Gefängnis umgebaut worden ist, in dem das Kaiserreich und bis heute die Islamische Republik die Opposition einkerkert. Der Enkel hat das Evin-Gefängnis im ersten Jahr der Revolution selbst mit dem Vater besichtigt, als man dort noch die Grausamkeit des Schah-Regimes ausstellte. Daß dort einst Seyyed Zia wohnte, dürfte noch weniger Teheranern bekannt sein als der Amerikaner, nach dem die Jordan-Straße benannt ist. Großvater berichtet immerhin, daß ein gescheiterter amerikanischer Präsidentschaftskandidat namens Gouverneur Osberg nach einem Vortrag im Big Room der Amerikanischen Schule den kaum zwanzigjährigen Seyyed Zia Tabatabaí kennengelernt habe. Anschließend habe Gouverneur Osberg zu Doktor Jordan gesagt: »Diesen Mann erwartet eine glänzende Zukunft.« Genau gesagt, berichtet Großvater, daß er am Abend nach dem Putsch Yamin ol-Mamolek beziehungsweise -Molk von seiner ersten Begegnung mit Seyyed Zia in der Amerikanischen Schule berichtete. In den fast zwei Stunden, die er bei ihm blieb, lag der Leiter der Handelsbehörde mit offenen Augen auf dem Sofa und schwieg. Kurz darauf wurde Yamin

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