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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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überzeugen, daß nichts in der Zollbehörde gegen das islamische Recht verstoße. Das glaube er gern, antwortete der Freitagsprediger, doch könne er schon beim Besuch der Behörde, selbst wenn dieser ausschließlich der rechtlichen Überprüfung diene, in Situationen geraten, die im Sinne ebenjenes Rechts bedenklich seien. Großvater hakte nicht mehr nach und besuchte weiterhin den Freitagsprediger, der Schiiten Tee anbot, es jedoch ablehnte, einen Tee zu trinken, der von Schiiten zubereitet. Man muß sich den damaligen Graben zwischen den beiden Konfessionen fast so groß vorstellen, wie er für alle überraschend heute im Irak wieder geworden ist: Man bekriegte sich zwar nicht, aber Freundschaft zu schließen verbot sich für viele Gläubige oder erschien jedenfalls delikater, als mit Christen oder Juden zu verkehren, die zwar keine Muslime waren, aber deswegen keine Feinde. Aus Sicht der Schiiten haben die Kalifen mit den Imamen die Kinder und Kindeskinder des Propheten ermordet und die egalitäre Botschaft des Islam verraten; umgekehrt halten strenge Sunniten die Schia für eine ketzerische Sekte mit abstrusen Riten und abergläubischen Vorstellungen, die sich aus der großen Gemeinschaft des Islam ausgeschlossen hat. Einmal fragte Großvater den Freitagsprediger von Bandar Lengeh, warum der zweite Kalif Fatima beleidigt habe, die Tochter des Propheten und Gattin Imam Alis. Verflucht sei jeder, der jener Heiligen, Friede sei mit ihr, den geringsten Schaden zugefügt oder ein schlechtes Wort über sie gesagt hat! geriet der Freitagsprediger, ein sonst seelenruhiger älterer Herr mit freundlichen, warmen Augen, regelrecht in Zorn: Verflucht sei er und der Verdammung Gottes ausgesetzt! Niemals hat der zweite Kalif so etwas getan: Von Ihnen, mein Herr, der Sie doch studiert haben, hätte ich eine solche Frage nicht erwartet. Gott sei gepriesen, daß Sie noch jung sind und sich so Gott will eingehender mit der Geschichte des Islam beschäftigen werden. Großvater schreibt, daß er sich in seiner Verwirrung nicht nachzufragen getraut habe. Ungeachtet ihrer Ablehnung der Schia beeindruckte ihn die Frömmigkeit und Mitmenschlichkeit des Freitagspredigers wie überhaupt der Sunniten von Bandar Lengeh und war er für den Rest seines Lebens unsicher, wie in so vielem, ob die Geschichte des Islam vielleicht ganz anders verlaufen war, als er es gelernt, und die Vorwürfe gegen die Sunniten nur auf Vorurteilen beruhten. Als Großvater längst stellvertretender Direktor der Nationalbank in Isfahan war und zwei angesehene Geistliche ihn zum Mittagessen besuchten, die verstorbenen Ajatollahs Hesam ol-Waézin und Hadsch Agha Mohammad Nuri, trug er ihnen deshalb die Antwort des Freitagspredigers von Bandar Lengeh vor. – Und was hast du erwidert? fragte Ajatollah Nuri. – Nichts, gestand Großvater. – Warum das denn nicht? – Mir ist nichts eingefallen. – Du hättest fragen sollen, warum die Leiche jener gerechten, unschuldigen und einzigartigen Frau, Friede sei mit ihr, in der Heimlichkeit der Nacht verscharrt wurde. Du hättest fragen sollen, warum der zweite Kalif verfügt hat, daß an ihrem Grab nicht gebetet werden durfte. Warum darf ihre Grabstätte bis heute nicht bekannt sein? Haben denn nicht alle Zeitgenossen aus dem Munde des Propheten wieder und wieder gehört, daß Fatima ein Stück seines eigenen Leibs sei? Fatima zu beleidigen bedeutet, den Propheten zu beleidigen. Wenn der Kalif und seine Leute sie nicht geschmäht hätten – warum haben sie dann nicht an ihrer Beerdigung teilgenommen, warum haben sie das Gebet an ihrem Grab verboten? Auch diese Antwort verschlug Großvater die Sprache. »Einmal mehr und mehr als je zuvor bedauerte ich meine Unkenntnis, mein Unbildung, mein mangelndes Urteilsvermögen, und ich machte mir Vorwürfe, daß ich so wenig weiß.«
    Der berühmte Schriftsteller rät, einfach aufzuhören, willkürlich, oder wenigstens für ein Jahr den Roman zu unterbrechen, den ich schreibe, die Gelegenheit nutzen, die der Umzug nach Rom böte. Wie oft habe ich es versucht, klagt der jüngere Kollege. Jetzt, da es ausbleibt, merkt er wieder, wie verloren er ohne das Signal ist, das ihm alle paar Monate aus Zürich geblinkt wurde. Nie wieder wird er mehr im Verlag nachfragen, schwört er sich, nachdem der Verleger sich nun sogar von Tür zu Tür

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