Dein Name
die edlen Messieurs Gerau oder so ähnlich (sein Chef in Bandar Abbas, der den Sommer in den Bergen verbrachte), PA-KEH, M-L-R-SCH-OU-FEH und schlieÃlich L-M-R-N-Y . Wenn GroÃvater je etwas über das Verwaltungswesen gelernt habe, dann von diesen vornehmen Herren. Von den Belgiern geht GroÃvater zu seinen iranischen Arbeitskollegen über, die ihn so freundschaftlich aufgenommen hätten, in Buschher genauso wie in Bandar Lengeh und Bandar Abbas. Er zählt sie alle auf, jeden mit Namen und mindestens ein, zwei löblichen Eigenschaften. Einer von ihnen, der verstorbene Abdolrahman Gelehdari, der zweite Sohn des verstorbenen Ebrahim Gelehdari, den man offenbar kennen muÃ, nahm ihn einmal abends, als sie zu Gast bei Freunden waren, zur Seite, griff nach seiner Hand, steckte einen Ring um seinen Finger und sprach die Verse des gepriesenen Saadi: »Was nütztâs, des Freundes Angesicht zu küssen, / wenn wir im Augenblick uns trennen müssen? / Des Freundesabschied ist dem Apfel gleich, / die eine Seite rot, die andre bleich.« Obwohl Abdolrahman Gelehdari noch jünger war und nicht viel Geld besaÃ, wagte GroÃvater nicht, das Geschenk abzulehnen, seien doch die Gelehdaris bis heute für ihr ausgeprägtes Ehrgefühl berühmt. Er revanchierte sich am nächsten Tag mit sechs Ballen handbestickter Vorhänge, die er aus Isfahan mitgebracht hatte (den ganzen weiten Weg über den Irak und die Schreine der Imame?). GroÃvater erwähnt auch, was aus seinen Freunden und Kollegen geworden ist, soweit er es weiÃ; der eine wurde Landwirt, der andere Geschäftsmann, der dritte zog nach England, der vierte arbeitete früher für den iranischen Ãlkonzern, der fünfte ist heute Rentner in Teheran und so weiter. Von den Herren Djawad Sadr, Abdolmohammad Namazi und Yussof Sedeghiani hat GroÃvater schon lange nichts mehr gehört. Karim Parisch, wenn ich den Nachnamen korrekt vokalisiere, ist wie so viele andere schon lange verstorben, möge seine Seele froh sein. Und dann sind da noch die mehr als nur gastfreundlichen, sondern ebenfalls edlen und warmherzigen Menschen des Persischen Golfs, die er nicht mehr namentlich anführen könne. »Für diejenigen, die die Augen geschlossen und in die Welt hinter unserer Welt eingetreten sind, bitte ich Gott, sich ihrer zu erbarmen, und denjenigen, die wie dieser Sklave noch in dieser Welt ausharren, wünsche ich Gesundheit und Erfolg.«
»Bitte melde Dich endlich«, bittet er gegen alle Vorsätze den Verleger ein weiteres Mal um einen noch so lapidaren Wink, schildert seine Ratlosigkeit, räumt ein, daà die Selberlebensbeschreibung des GroÃvaters weniger hergibt als erhofft, rechtfertigt sich, daà etwas ihn abhalte, »den Irrweg zu beenden, weniger ein literarischer als ein moralischer Impuls«, was allein schon eine Bankrotterklärung wäre, läÃt sich am Ende sogar dazu hinreiÃen, den Verleger daran zu erinnern, stimmt es überhaupt?, daà er es war, der Verleger, der an ihn geglaubt hat. Ein verlassener Liebhaber könnte nicht weinerlicher klagen. Den Bericht aus dem nächsten Kriegsgebiet, für den er den Heimatbesuch der Ãlteren während der Osterferien nutzen wollte, sagt er der Zeitung ab, obwohl er einen Ausweg böte aus dem Roman, den ich schreibe. Bevor er wieder aufbricht, muà der Romanschreiber ein Verhältnis zu dem Ort haben, der nun einmal als Schauplatz eingeführt ist, und probiert es deshalb mit il Signor Reiner Winkler und al villaggio turistico . Der literarische Irrsinn solcher Sprachkurse mit CD zum Selberlernen, von der ersten Lektion an eine reale Sprechsituation zu behaupten, mit verteilten Rollen, Meeresrauschen im Hintergrund, Autohupen und landestypischen Scherzen, ist bewundernswert, ein Kunstwerk für sich angesichts eines Wortschatzes von achtzehn Vokabeln, wenngleich der Dialog ab der siebten, achten Wiederholung das Gehirn zersetzt. Guten Tag, guten Tag, wie geht es?, danke, gut, ich bin Rainer Winkler, ich bin Frau Lolli, ich bin Deutscher, ich bin Italienerin, sehr erfreut, sehr erfreut, und dann erst der Besuch bei einer italienischen Familie in der zweiten Lektion: Kommen Sie herein, guten Tag, guten Tag, wie geht es?, danke, gut, haben Sie Durst?, nein, ich habe keinen Durst, ich hingegen nehme einen Grappa, und schon wird in der akustischen Kulisse das Glas eingeschenkt, als sei es ein Eimer Wasser. In einem
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