Dein Name
Kabel aus der Allmacht zog. Wie könne es passieren, fragte er die rumänische Stipendiatin, daà der Mensch, der einem über so viele Jahre am nächsten stand, von einem auf den anderen Monat so fremd geworden sei? Was sage das aus über die Nähe, die sie sich eingebildet hätten? Nicht einmal vermuten kann die Nummer zehn, wo die eigene Frau steht, wie sie über ihn denkt, was sie überhaupt will, ob es ihr gutgeht, schlechtgeht, so lala geht dabei. Vielleicht leidet sie ja schrecklich, hofft er, verzehrt sich vor Verlangen, dann kann sie es phantastisch verbergen, oder ist er taub, stumm und blind. Wahrscheinlich so lala, erklärte er der rumänischen Stipendiatin, deren Freund sich ausschlief.
Von GroÃvaters Aufenthalt im Süden fehlt nur das letzte Kapitel, das ein Dankwort ist, zweieinhalb der DIN A4 groÃen, engbeschriebenen Seiten lang, auf denen er alle Menschen auflistet, die am Persischen Golf freundlich zu ihm waren. Rasch möchte ich die Jahre erreichen, in denen GroÃvater eine Familie gründet, weil Privates, Empfundenes dann selbst in seiner Selberlebensbeschreibung bezeichnet werden müssen und ich auÃerdem hoffe, mehr über die Verwandten zu erfahren, die ich selbst kenne, vor allem meine Mutter. Aus Neugier habe ich ein paar Seiten weiter vorn gespitzt, wie er GroÃmutter kennenlernt, und war erstmals erschüttert, negativ erschüttert, meine ich, richtig erschrocken. Aber der Reihe nach, um nichts auÃer acht gelassen zu haben, nichts von dem, was GroÃvater für beachtenswert hielt, der den gepriesenen Saadi zitierte: »Nichts ist dies alles, denn es geht vorüber: der Thron, das Glück, die Macht und die Herrlichkeit. / Den guten Ruf der Fortgegangenen ehre, so bleibt dein guter Ruf in Ewigkeit.« Die Gerechtigkeit verlange es von ihm, schreibt er, nach den kritischen Bemerkungen über Monsieur K-L-T , den er auf der Persepolis begleitete, und Monsieur F-R-U , der ihm das Leben in Bandar Lengeh schwermachte, die hervorragenden charakterlichen Eigenschaften, den aufgeklärten Geist und die fachliche Kompetenz aller übrigen Belgier hervorzuheben, mit denen zusammenzuarbeiten er insgesamt elf Jahre lang die Ehre und das Vergnügen hatte. Ich habe weder in der Bibliothek der römischen Orientalistik noch bis nach China viel Literatur über die Belgier gefunden, die auf der Grundlage eines Vertrags von 1898 mit dem Kadscharen Mozaffar Schah die iranische Zollbehörde aufbauten. Was ich fand, liest sich nicht wie ein Ruhmesblatt der belgischen Geschichte, sondern deutet auf eines der üblichen semikolonialen Unternehmen hin, die das Gastland ein wenig entwickeln, den Gästen jedoch vor allem Einfluà und Profit einbringen sollten. So berichtet der amerikanische Diplomat Morgan W. Schuster, der als Kämmerer für die iranische Regierung arbeitete, in seinen Erinnerungen ( The Strangling of Persia: Story of the European Diplomacy and Oriental Intrigue that Resulted in the Denationalization of Twelve Million Mohammedians , New York 1912) von Streiks iranischer Händler, von der Forderung der Konstitutionalisten, den Vertrag mit Belgien zu kündigen, von belgischen Gesandten, die sich, in die Heimat zurückgekehrt, Schlösser leisten konnten, und von Zollabkommen mit RuÃland und anderen Staaten, die den iranischen Haushalt auf Jahre schwer belasteten. GroÃvater hingegen beschreibt den gewissenhaften Monsieur D-K-R-K-R , der Schuhe mit weichen, ganz leisen Sohlen trug. Oft trat er von hinten an den Schreibtisch, um unbemerkt die Arbeit zu überprüfen. Nach einer Zeit legte er die Hand auf die Schulter des Beamten, der natürlich erschrak, und lobte ihn oder korrigierte die Berechnung. Monsieur D-K-R-K-R wirkte beschäftigt, wann immer man ihn sah, und erwiderte manchmal nicht einmal den GruÃ, weshalb ihn manche Kollegen für sehr streng und auch arrogant hielten, allein, das war er nicht, betont GroÃvater, das war Monsieur D-K-R-K-R schon gar nicht auÃerhalb des Zollamts. Er war nur sehr fleiÃig und kümmerte sich um alle Angelegenheiten mit groÃem Ernst. Wenn GroÃvater ihn auf der StraÃe oder abends vor dem französischen Café traf, erlebte er Monsieur D-K-R-K-R als sanftmütigen, zugewandten Menschen, der sich für Land und Leute aufrichtig interessierte. Nicht minder ausführlich bedankt sich GroÃvater bei dem warmherzigen Monsieur D-L-K-R-D . Es folgen
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