Dein Name
Kollege den Schlag noch Wochen nach dem Telefonat in den Fingern, wenn er tippt. Kurz darauf erfuhr er, daà er wieder nicht den Preis für Negerliteratur gewonnen hat, den sie ihm doch wenigstens verleihen könnten, viel Geld ist es ja auch, fünfzehn- oder fünfmal drei oder vier oder auch mal fünf Sterne, unter denen die Fernbedienung quält, meint er sich zu erinnern, und die Konkurrenz nach Rassen gesiebt. Ãber Wochen hatte er sich gezwungen, keine Gedanken zu verschwenden, auf keinen Fall bis nach China zu suchen, was ihm auch gelang, hatte sich tatsächlich nicht damit beschäftigt, aber nachdem er vom Verleger keine Antwort erhalten und der berühmte Schriftsteller ihn aus Versehen kurz und klein geprügelt hatte, waren Selbstsuggestion und Widerstandskraft aufgebraucht. Er schaute auf der Website nach den Juroren, nur um sich zu ärgern, daà er es so spät tat, weil er sich bei den Namen schon vorher die Hoffnung hätte sparen können. Jetzt sitzt er in der Abflughalle des Flughafen Fiumiccino, den er ohne Navigator gefunden hat. Wegen des Defekts kommuniziert er weiterhin regelmäÃig mit dem Kundenservice, der überraschend nicht im Indischen Ozean, sondern nahe Köln angesiedelt ist, wie ihm eine besonders bemühte Kundenbetreuerin entgegen der Dienstvorschrift verriet. Sie hatte dafür gesorgt, daà das Gerät nach nur einer Woche wieder in Rom war, doch hatten die Techniker in der Eile vergessen, die Speicherkarte einzulegen. Jetzt scheinen sie sich in Köln um so mehr Zeit zu lassen mit dem Speicher. Die Verspätung, die ihm erlaubt hat zu schreiben, ist in ein paar Minuten aufgebraucht. Er will gar nicht zurück. Ihm ist das Jahr jetzt schon zu kurz, das er fort ist. Wenn er es schafft, fährt er zum Kundendienst raus, um sich den Navigator abzuholen.
Da die Ãltere auf dem Fensterplatz schläft, fährt er fort. Es ist keinesfalls so, daà ihm Rom nicht gefiele oder er sich unwohl fühlte in der Deutschen Akademie. Eher ist es zu angenehm zum Schreiben, das lichtdurchflutete Atelier mit dem Park hinter der dreiflügeligen Tür, die inzwischen meist offensteht, ebenso die Stadt, durch die man stundenlang flanieren kann, ohne auf eine häÃliche Stelle zu stoÃen, der Verfall wie von Meisterhand gezeichnet, jeder StraÃenzug eine Leinwand, zu der Kunstfertigkeit und Zufall, Zivilisation und Klima ihr Bestes beigetragen haben. Um auch dieses Thema der Jahrbücher abzuhaken, die zu studieren der Direktor in der letzten Freitagsbesprechung empfahl, haben die Italiener des weiteren das Leben auf so kluge Weise eingerichtet, allein schon das Angebot, die Preise, das notwendig charismatische Personal und die konstante FuÃläufigkeit einer typischen Bar, jeden Morgen auf dem Rückweg von der Schule Cappuccino, Cornetto und frisch gepreÃten Orangensaft für insgesamt 3,90 Euro, die Möglichkeiten, je nach Bedürfnis schnell oder reichlich, preiswert oder raffiniert Mittag zu essen oder sich im Supermarkt oder besser noch in der Markthalle ein paar Zutaten für ein ebenso erlesenes wie leicht zuzubereitendes Abendessen zu besorgen, das die Geschmacksnerven täglich verfeinert. Und jetzt noch der kritische Einschlag, den ein Stipendiat der Deutschen Akademie nicht versäumen darf, sonst gilt er als Schwärmer: Die plaudernde Masse von Urlaubern, die sich über, unter, neben, vor und hinter alle Monumente ergieÃt, verhindert es, die Erhabenheit früherer Reisender auch nur zu imitieren, die den Weg nach Rom nicht mit dem Billigflieger in zwei Stunden, sondern zu FuÃ, in der Postkutsche oder meinetwegen noch in der Dampflok auf sich nahmen. Die eigentliche Explosion ereignete sich erst vor einigen Jahren, höchstens einem Jahrzehnt, seit Flugreisen nichts mehr kosten und Touristen nicht mehr nur weià oder japanisch, sondern auch russisch, chinesisch, indisch, arabisch oder südamerikanisch sind. Wie ein Ãbermaà an Kommunikation dazu führt, nichts mehr zu verstehen, konvergiert die Verfügbarkeit der Welt zu ihrer Unerreichbarkeit. Früher war es mühselig, das Kolosseum zu besichtigen, heute ist es unmöglich, der Tod des Reisens durch seine Demokratisierung, gegen die am schlechtesten etwas einzuwenden ist. SchlieÃlich das Insiderwissen, das den Stipendiaten vom Touristen unterscheidet: Wird man von einem Kind begleitet, das man mit der eigenen, sei es fingierten
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