Dein Name
vielfarbig schillernder Turban. Allein, um ihn herum scharen sich nicht waffenstarrende Gefolgsleute, sondern mindestens fünfzig geifernde Frauen, die ihn zu schlagen und zu beschimpfen scheinen. Ganz sicher ist der Inspekteur nicht, denn Mir Barekat Chan wehrt sich überhaupt nicht, im Gegenteil, läÃt sich die Schläge gefallen und quittiert die Schmähungen mit sanftem Lächeln. Nach dem länglichen BegrüÃungsdialog, den Fragen nach dem Befinden noch der entfernten Verwandten, Stammesmitglieder, Kollegen und Vorgesetzten im Zollamt, die sämtlich den Lobpreis Gottes nach sich ziehen, erkundigt sich der Inspekteur als erstes nach dem seltsamen Schauspiel der Frauen. Zunächst weicht Mir Barekat Chan aus, daà die Wüstenmenschen und insbesondere die Wüstenfrauen eben seltsame Wesen seien, bevor er doch den wahren Grund nennt: Nach zwei Jahren ohne Regen glaubten die Frauen, daà Gott das Dorf für die Sünden und Verbrechen Mir Barekat Chans bestrafe. â Und wissen Sie was, junger Herr? fragt der Stammesführer mit beseeltem Gesicht: Die Frauen haben recht. Gott hat mir im Traum eine Eingebung geschenkt. Seien Sie vor Gott und dem Dorf mein Zeuge, junger Herr, daà ich auf den geraden Pfad zurückkehren will, o Gott, den Pfad derer du gnadest, nicht derer gezürnt wird noch der Irrgehenden. Dann bricht der berüchtigte Stammesführer in Tränen aus. Der Inspekteur holt die Zollbescheide und Mahnungen aus der Hütte und genieÃt mit seinen drei Belutschen noch zwei Tage die unvergleichliche Gastfreundschaft von Wüstenbewohnern. Als er mit dem ordnungsgemäà entrichteten Zoll nach Bandar Abbas zurückkehrt, ist Monsieur Gerau oder so ähnlich derart beeindruckt vom Erfolg der Mission, daà er den Inspekteur kurz darauf zum nächsten Zollsünder entsendet: Leider hat Sardar Din Mohammad Chan in Tschah Bahar jedoch keine Eingebung gehabt und tragen seine Wachleute riesige Gewehre sowie Patronengurte um den Bauch. Jahre später erfährt der Inspekteur von seinem Cousin, dem General Hedayatollah Sohrab, daà Reza Schah alle Stammesführer am Persischen Golf, die in ihrem Gebiet keine Staatsgewalt gefürchtet hatten, verhaften und nach Schiraz bringen lieÃ, wo sie öffentlich hingerichtet wurden, Mir Barekat Chan aus Kuschk, Sardar Din Mohammad Chan aus Tschah Bahar und vier andere, deren Namen und Herkunft ebenfalls in GroÃvaters Selberlebensbeschreibung zu finden sind.
Beim Dinner der Schweizer Akademie erklärte die deutsche Nummer zehn einer Stipendiatin der Rumänischen Akademie, die das Los gezogen hatte (wörtlich!, so mache man das in der Schweiz), neben ihm zu sitzen, daà seiner Beziehung die Luft ausgegangen sei, genau so nannte er es, ob idiomatisch korrekt oder nicht, our love ran out of air . Ihr muÃte er nicht viel erklären, ein paar Sätze genügten für die Geschichte, warum er allein mit seiner älteren Tochter in Rom lebt. Der Freund der rumänischen Stipendiatin war ein paar Stunden zuvor aus Bukarest eingetroffen, und sie verbrachte gleich den ersten Abend ohne ihn. Er will sich erst einmal ausschlafen. Kein Streit, nicht mal das, die Anrufe übers Internet, kostenlos jetzt, die Frau unerträglich in ihrer Korrektheit, schimpft er nach jedem Gespräch, ihrer ungerührten Freundlichkeit. Vielleicht glaube sie, das Zerwürfnis kitten zu können, indem sie es ignoriert, vielleicht sei das ihr Plan. Klar wünsche sie sich, vermutet er, daà alles beim alten bliebe, es wäre das einfachste, und sie ergänzen sich gut, rein praktisch gesehen. Er merkt, wie sich sein Groll nur steigert, während er ihre Motive zu ergründen versucht, der alte, glimmende Groll, immer noch, nur jetzt entfacht. Beim Dinner der Schweizer Akademie merkte er zum ersten Mal, wie ihm leicht wurde, als er von Trennung sprach. Nein, nein, nichts ist endgültig, schob er rasch nach. Stelle sich die Leidenschaft wieder ein, the passion , um so besser, zumal für die Kinder, you know . Unterm Headset faÃt er sich kurz, telefonierte dafür Stunden mit dem Kundenservice des Navigators, dem nach dem Herunterladen einer teuer erworbenen, aktuellen Italienkarte ebenfalls die Luft ausging. So hat er einen weiteren Tag mit Dingen verschleudert, die das Leben leichter machen. Gerade hatte er begonnen, mit der Standleitung bis nach China umgehen zu lernen, indem er, Heureka!, einfach das
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