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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Gebäude erwarb, Herr Chosroupur, unter dem sie es bezog, und so viele andere, daß nicht einmal mehr Großvater die Namen aufzuzählen vermag – und es sei auch nicht so wichtig, fügt er hinzu (wenn er das schon sagt). Zu Herrn Chosroupur fällt ihm noch ein, daß dieser ihn vor der feierlichen Eröffnung des neuen Bankhauses verstohlen bat, den Stoppelbart zu rasieren, den Großvater also inzwischen trug; er wisse schon, die Exzellenzen, mehr müsse er wohl nicht sagen. Noch mehr als heute signalisierten Stoppeln, die mindestens drei Tage nicht rasiert wurden, wie es die Tradition empfiehlt, in den dreißiger, vierziger Jahren eine religiöse Gesinnung, die nicht zum Eifer paßte, mit dem Reza Schah dem Land die Vergangenheit abstreifte. Auf den Schwarzweißphotos in den Alben meiner Verwandten trägt überhaupt niemand einen Bart außer Geistlichen, Bauern und Großvater. – Ich bleibe dann lieber der Feier fern, erwiderte Großvater. Das wiederum wollte Herr Chosroupur auch nicht, dem die Bitte selbst nicht behagte, und so wird in einigen iranischen Familienalben ein Photo von der Einweihung des neuen Gebäudes der Iranischen Nationalbank in Isfahan kleben, auf dem einer der Herren einen Bart trägt. Das ist mein Großvater.
    Im Flugzeug der staatlichen Gesellschaft könnte man meinen, Iran sei ein halbwegs normales Land. Die Passagiere könnten auch Italiener sein, und selbst die Zeitschrift, die ausliegt, tut so, als unterliege sie keiner Ideologie. »Wie verbringen Sie Nouruz?« lautet die Überschrift eines Interviews mit dem Oberbefehlshaber der iranischen Armee. Bis vor ein paar Jahren sprachen Befehlshaber der Islamischen Republik öffentlich nur über den Kampf gegen die Weltarroganz, jetzt berichten sie von ihrer Mountainbiketour. Die staatliche Fluggesellschaft hat sich damit abgefunden, Fremde zu befördern. Bis vor ein paar Jahren setzten die Frauen ihr Kopftuch bereits in der Wartehalle auf, heute tragen bis zur Landung nur die Stewardessen ihr Haar bedeckt. Das Gebet vor der Sicherheitsdurchsage läuft auf dem Monitor mit kosmischen Bildern wie aus der Wissenschaftsshow, damit sich die Stewardeß nicht mit dem Arabisch mühen muß, später ein Spielfilm, in dem Frauen, die Italienerinnen sein könnten, sich mit Kopftuch und Mantel zum Schlafen ins Bett legen. Time to Destination: 1:16. Dem Vater ist klar, daß die Verbindung abbrechen wird, die alâqeh ,nur soll nicht gerade seine Generation unter so vielen das letzte Glied sein. Selbst seine Frau, die den neuen Bürostuhl bezogen hat, wurde kurz vor Abflug von Sehnsucht ergriffen, vergebens der Versuch, die Frühgeborene in der iranischen Botschaft in Rom, die keinen Frühling erlebt und entsprechend keine Wasserspender angeschafft hat, in seinen Paß eintragen zu lassen. Die Frau sagte, es sei auch Sehnsucht nach ihm.
    Die beiden Cousins klettern an der Mauer hoch, um zu photographieren. Jemand schießt aus dem Nichts hervor und schreit, sie sollen verschwinden. Nun, da sie wissen, daß es ihn gibt, schlagen die Cousins erst recht gegen das eiserne Tor und bitten den Hausmeister, er solle es öffnen, nur kurz, die Angelegenheit sei dringend. Als sich das Tor einen Spalt öffnet und ein Kopf mit weißen, strubbeligen Haaren und buschigem Schnurrbart zum Vorschein kommt, tragen die Cousins ihr Anliegen vor, die Schule zu besichtigen. Nein, sagt der Hausmeister nur, sie sollten nach dem Dreizehnten zurückkehren, jetzt sei Nouruz, und er brauche schließlich auch seine Ferien. Die beiden Cousins sitzen bereits im Auto, als sich das Tor ein zweites Mal öffnet: Na, dann schauen Sie sich um – welcher Jahrgang? Abitur 1351, als die ehemalige Amerikanische Schule noch das beste Gymnasium des Landes war. In den siebziger Jahren nahm auch der Hausmeister seinen Dienst auf. Zu den Pantoffeln trägt er eine neue oder selten getragene mintfarbene Anzughose mit der dazugehörigen Weste, vielleicht das Geschenk der Schulleitung zu Neujahr oder zum Dienstjubiläum. Nach ein paar Minuten lacht er mit dem Cousin aus Teheran schon Tränen, als sie zweistimmig davon erzählen, wie die Schüler ins benachbarte Mädchengymnasium ausbüxsten, der Cousin stets vorneweg, der Hausmeister meistens zu spät. Manches Ohr habe ich dennoch zu fassen gekriegt, prustet er hervor und nimmt sich das Ohr des ehemaligen Schülers, eines bald

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