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Arm. Polizei, Festnahme, die drei schreienden Geschwister des Babys, die erst einmal zu beruhigen, dann zu versorgen waren. Abends hat der niederländische Stipendiat den Kindern Pfannkuchen gebacken, weil der Kühlschrank nichts anderes hergab. Eine Woche später wollten sie wieder niederländische Pfannkuchen haben. Das Baby hatte die Hüfte gebrochen und wurde nach zwei Wochen aus der Klinik entlassen. Es ist verrückt, aber es waren auch schöne Ferien, sagte der niederländische Stipendiat, besonders die Pfannkuchen.
Am 18. März 2009 zurück von der Dienstagsbegleitung, bleibt um 14:17 Uhr nicht mehr viel Zeit, vom Bahnhofsviertel zu berichten, das schlechtsitzende Hosen, schwarze Lederjacken und Goldzähne wie in einer echten GroÃstadt aufweist, dazu alle Düfte der Welt, die nur in Lifestyle-Magazinen wie Parfüm riechen. Hinterm Bahnhof riecht sie auch in Rom nach Schweià und Safran, nach enthäuteten Tieren auf Metzgerhaken und Rosenwasser, Urin und Zedern, Motoröl und Curry. Guten Tee hat die Nummer zehn gefunden, den die bestsortierten Supermärkte in Italien nur in Beuteln verkaufen, als handele es sich um Mäusegift, Gewürze, die er wahrscheinlich das ganze Jahr nicht benutzen wird. Es ist gut, sie zu haben, allein schon wegen der Farben, des Geruchs in der Küche und falls die Mutter zu Besuch kommt. Zum Ende seiner Zeit in Teheran verbrachte GroÃvater mit einigen anderen Isfahanis (und ihren Frauen?) einen Sommer, wie er (und GroÃmutter?) ihn so froh und unbeschwert nie je erlebt hatte, noch je wieder erleben würde. Zu erfahren ist freilich nur von einem Ausflug nach Schemiran, heute ein Stadtteil im Norden Teherans, nicht einmal sehr weit im Norden, damals jedoch zwei Tage mit dem Esel entfernt. Unterwegs campierten die Isfahanis in einem Garten, dessen Trauben so hoch hingen, daà GroÃvater als der Leichteste von allen sich auf die Schultern eines anderen setzte, genau gesagt »auf die gesegneten Schultern des Herrn Foad Rouhani«, wie er es keineswegs ironisch formuliert, obwohl er hintenüberstürzte, als Foad Rouhani GroÃvaters Oberschenkel loslieÃ, um eine Traube zu kosten. Einen Monat verbrachte GroÃvater in dem Garten, wo ihm die Dorfleute ein Krankenlager unter Sternen einrichteten, wie er es sich bezaubernder nicht hätte wünschen können, bis die Brüche so weit ausgeheilt waren, daà er mit der Kutsche nach Teheran zurückgebracht werden konnte. â Den Schaden, den Sie Ihren Knochen zugefügt haben, werden Sie ein Leben lang spüren, so lang es auch werden mag, prophezeite der Arzt und behielt recht. Das war GroÃvaters letzter Sommer in Teheran, in dem die Schultern des Herrn Foad Rouhani nun wirklich keinen Segen brachten.
Ich nahm immer an, GroÃvater habe die Besitztümer, die er von seinem reichen Vater erbte, im Laufe seines Lebens aufgebraucht, oder sie seien im Zuge der Bodenreformen des Schahs und der Islamischen Revolution von 1979 beschlagnahmt, wenn nicht geraubt worden. Ich nahm immer an, daà dieser Verlust des väterlichen Erbes es gewesen sei, der ihn zum Lebensende besonders quälte. Nun erfahre ich, daà er im Alter von fünfunddreiÃig Jahren deshalb nach Isfahan zurückkehrte, um seinen Vater zu versorgen, der nicht nur gebrechlich geworden war, fast bewegungsunfähig, sondern sich obendrein verschuldet hatte. In dem Chaos, das die berühmten Aufrührer Reza Chordani und Dschaafar Gholi stifteten, über die ich in keinem meiner Bücher auch nur eine FuÃnote finde, hatte UrgroÃvater alle Güter verloren, die er auf seinen Ländereien rundum das Dorf Kartschegan besaÃ, die Felder verbrannt, die Wälder gerodet, die Geräte zerstört, die Brunnen vergiftet, das Haus verwüstet, in dem er die meiste Zeit des Jahres verbrachte, Schmuck und Bargeld gestohlen. In dieser Situation sei es seine Pflicht als ältester Sohn gewesen, UrgroÃvater beizustehen. Die Gründung der Iranischen Nationalbank am 19. August 1928 bot GroÃvater die Gelegenheit, nach elf Jahren seinen Dienst bei der Zollbehörde zu quittieren. Als die Bank 1929 ihre Isfahaner Repräsentanz in einem alten Wohnpalast eröffnete, der ursprünglich der verstorbenen Effat od-Douleh gehörte, wer immer das nun wieder sein mag, gehörte GroÃvater zur ersten Belegschaft. Das Gebäude stand dort, wo sich heute die Kreuzung vor dem Rathaus
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