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sechzigjährigen sportlichen Herrn aus dem wohlhabenden Norden Teherans, um dessen Cousin aus Deutschland zu demonstrieren, wie es auf dem Hof zuging. Es ist immer noch eine Schule wie aus dem Bilderbuch, ein nunmehr hundertzwanzigjähriger Bau aus hellbraunem Ziegel mit Kuppeln, Iwanen, Säulen, himmelblauen Holzfenstern und bemalten Kacheln an den AuÃenwänden in einem Garten mit Ententeich und riesigen Pappeln entlang der FuÃwege, Parkbänke, Blumenbeete, ringsum Sportplätze und die alte Turnhalle â daà es in Teheran so ein Gelände überhaupt noch gibt, mitten im alten Zentrum, das heute im verschmutzten, lauten, übervölkerten Süden der Stadt liegt, das Vogelgezwitscher, die Weite und das Grün, das Alter der Steine, die Würde der Mauern, die Eleganz und Versonnenheit. Der Hausmeister führt die Cousins in einen Raum, in dem die Jahrgangsbücher aufbewahrt sind, Photos der Direktoren, Urkunden und Pokale. Der Cousin aus Teheran findet seinen Namen mit dem Datum des Abiturs, auch den seines Bruders sowie zwei weiterer Cousins. Einer von ihnen empfing seine Urkunde als Jahrgangsbester vom Schah persönlich, wie sich auch der Hausmeister erinnert (nicht an jeden einzelnen Schüler, aber an den Besuch des Schahs). An einer Wand hängt ein groÃes Photo des Kollegiums aus den siebziger Jahren, auf dem der Cousin aus Teheran seine Lehrer wiedererkennt. Sie tragen breite Krawatten, Schlaghosen und Koteletten, die Lehrerinnen grelle Kleider, die nur bis zum Knie reichen, und hochgesteckte Haare wie ein paar Jahre vorher Brigitte Bardot und Claudia Cardinale. Im Hof auf der Rückseite des Gebäudes ist die Linie zu sehen, an der sich die Schüler zum Appell aufstellen. Für jede Klasse ist der Standplatz markiert, 5b, 8a, 9c und so weiter. Es ist sicher nicht mehr die gleiche Linie, aber der gleiche Platz, an dem sich GroÃvater morgens zum christlichen Gebet einreihte. Der Big Room ist heute nach dem Märtyrer Ali Radschaà benannt, dem wahrscheinlich fanatischsten Politiker der Islamischen Revolution, legendär sein Auftritt als iranischer Präsident vor den Vereinten Nationen: unrasiert, der Stehkragen schmutzig, die Schuhe mit heruntergetretener Ferse, als wären sie Pantoffel (man demonstrierte damit, wie häufig man sie zum Gebet auszog), so erzählte man es sich peinlich berührt in der Familie der beiden Cousins wie in allen bürgerlichen Familien. Bis vor einigen Jahren, berichtet der Hausmeister, konnte die Schule ihren Standard einigermaÃen halten. Dann wurde ein Direktor berufen, der seinen Ehrgeiz darauf verwendet, die Quoten zu erfüllen, die für die Freiwilligenmilizen und Märtyrerfamilien vorgesehen sind. Wer kann, schickt seine Kinder seither auf eine Privatschule. Von Doktor Jordan hängt kein Bild an der Wand, wenngleich der Hausmeister viel von ihm gehört hat. Gott sieht die guten Taten, sagt er: Es ist egal, ob die Mullahs sie sehen.
Der Kanonenhausplatz, um den herum Ministerien, Botschaften, Kaufhäuser und die neuen Verwaltungsgebäude lagen, der Kanonenhausplatz, auf den prächtige Boulevards zuliefen, darunter nordöstlich die berüchtigte LalehzarstraÃe mit ihren Nachtclubs, Theatern, Bordellen und Cafés, der Kanonenhausplatz, den auch die moderne persische Literatur so oft beschrieb, ist nur noch ein Knoten von sechs achtspurigen StraÃen und so unansehlich, wie es nur Teheran gelingt, mit einer riesigen, freien Betonfläche, ohne Ãbertreibung mehrere FuÃballplätze groÃ, früher wohl ein Parkplatz, heute ein überdimensionierter Vorplatz der Metrostation, und einem nicht bloà grauen, sondern tatsächlich farblosen oder wohl abgasfarbenen Zementklotz in zwanzig Stockwerken, der aussieht, als würde darin täglich Kafkas Prozeà geführt. Ein einziger Altbau ist erhalten, die ehemalige Nationalbank, die StraÃe ein paar Meter hinab auÃerdem das imposante AuÃenministerium und die immer noch beeindruckende Post, an der GroÃvater zum ersten Mal Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts aus der Kutsche stieg. Die Architektur mit ihrem originären, fast bauhausartigen Stil, den die Rundungen orientalisch verfremden, muà auf ihn so kolossal und futuristisch gewirkt haben wie hundert Jahre später Dubai oder Schanghai. Der Cousin aus Teheran wundert sich, daà ihn der Cousin aus Deutschland in Gegenden lotst, durch die er selbst zum letzten
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