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hassen würden, warum suchen sie dann Zuflucht bei ihnen? Entweder ist die Verachtung nicht so gravierend, wie es dem Berichterstatter vorkommt, oder die Verzweiflung so groÃ. Der HaÃ, den er auf Reisen tatsächlich angetroffen hat, ist der Haà der Knechte auf ihren Herrn, so wie umgekehrt die Verachtung die ist des Herrn für seine Knechte. Merkwürdig, daà sich die realen Machtverhältnisse der Welt ausgerechnet in Italien so sichtbar in individuellen Affekten widerspiegeln. Niemand hat die Herr-Knecht-Struktur menschlicher Verhältnisse radikaler aufzulösen versucht als Jesus Christus, nicht Moses, nicht Mohammad und schon gar nicht Marx. Zugleich tritt Religion nirgends in der Welt als eine so geballte, überwältigende Demonstration der Macht auf, irdischer Macht auch in ihren gewöhnlichsten Winkelzügen, wie der Katholizismus in Rom. Alle Schauspieler sind weiÃgekleidet, zwanzig, fünfundzwanzig, sitzen auf dem Boden vor dem italienischen Parlament, bis auf den einen, der vernommen wird, und einen zweiten, der den Zollbeamten spielt. Eine einzige Fernsehkamera ist da, eindeutig zuwenig, und die Reporterin, die gleich ihren Kommentar sprechen wird, arbeitet bestimmt nicht für einen bedeutenden Sender: der Blazer an den Ãrmelkrempen abgewetzt, das wird im Fernsehen niemand erkennen, und unten, wo sie nicht im Bild sein wird, trägt sie Jeans und weiÃe Gesundheitssandalen mit knallbunten Zeichnungen darauf. Das Publikum besteht aus vielleicht fünfzig Menschen, Angestellte in ihrer Mittagspause, nimmt der Berichterstatter an, die meisten aber Sympathisanten und Helfer. Bis auf einige Alte, die sich auf ihren Stadtplan gesetzt haben, Pilger?, bleiben die Touristen nur kurz stehen. Jeder Gaukler mit Sammelbüchse bietet mehr Attraktion als dieses Dokudrama. Um ein paar Touristen mehr oder weniger geht es auch nicht. Hier geht es darum, Nachrichten zu produzieren, die hinter die Türen dringen, vor denen eben jetzt ein Wachwechsel stattfindet, Soldaten im Stechschritt zu lautstarken Befehlen, darüber groÃe Fahnen Italiens und der Europäischen Union. Weil er sich Notizen macht, wird der Berichterstatter viermal hoffnungsfroh gefragt, für wen er berichtet. Von den Abgeordneten, die telefonierend aus dem Parlament treten, schauen nur wenige über den Platz zu der Aufführung, obwohl bestimmt alle Fraktionen informiert wurden, so professionell, wie die Aktivisten seit Wochen für ihre Aktion werben. Deshalb machen die kleine Menge und die einzige Fernsehkamera so traurig: Es ist ja kein amateurhaftes Happening, das sich einige Enthusiasten ausgedacht haben, sondern eine lange und gut vorbereitete Aktion, die es in die Hauptsendezeit schaffen wollte. Vielleicht schauen die Abgeordneten, die das Parlament zum Mittagstisch verlassen, eben deshalb nicht herüber, weil sie wissen, welches Stück gespielt wird. Ihr Präsident beschimpfte gerade in diesen Tagen die Roma als eine »Gemeinschaft, die sich nicht in unsere Gesellschaft integrieren läÃt«, Personen, die »Diebstahl für beinahe erlaubt und nicht verwerflich halten, die das Arbeiten ihren Frauen überlassen, Prostitution wahrscheinlich, und die keine Skrupel haben, Kinder zu vergewaltigen oder Kinder nur zu zeugen, um sie zum Betteln zu schicken«. Die bisherigen Beschlüsse der neuen Regierung hält der Parlamentspräsident für zu schwach und meint, daà für den Anfang zweihundertfünfzigtausend Menschen sofort aus Italien ausgewiesen werden müÃten. In Neapel hat ein Mob eine Roma-Siedlung abgefackelt, die italienischen Zeitungen klatschen auch noch. Der Ministerpräsident, der selbst am wenigsten auf Legalität gibt, geht endlich gegen Illegale vor, lautet der Tenor selbst in der europäischen Presse. Das Leben geht immer weiter; wenn erâs nicht aus der Zeitung wüÃte, hätte der Berichterstatter nicht gemerkt, daà die Regierung gewechselt hat. Rom begeistert ihn wie jedesmal, wenn er zwischen den Monumenten umherstreift. Zu spät gekommen bei der ersten Aufführung, vertreibt er sich die Zeit bis zur Wiederholung, um auch den Anfang zu sehen. Daà die Stadt neuerdings einen Bürgermeister hat, den seine Anhänger mit dem ausgestreckten rechten Arm und »Duce, Duce«-Rufen feiern â wie hätten sie es denn in ihrer Akademie merken sollen? Aber auch die Römer, selbst die meisten Oppositionellen,
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