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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Mittagessen zurückkehren, müssen eine Minute stehenbleiben und notgedrungen zuhören, um nicht ins Bild zu kommen.
    Nach der Rückkehr aus Mekka war Großvater Tage damit beschäftigt, die Besucher zu empfangen, die ihm zum Abschluß der Pilgerfahrt gratulierten, neben Freunden, Verwandten und Kollegen die Basarhändler und Angehörigen der verschiedenen Stände und aller sozialen Klassen. Allerdings fügt er sogleich hinzu, daß den meisten Ehrbekundungen und Gratulationen keine religiösen Motive zugrunde lagen und sie schon gar nicht ihm als Menschen galten, vielmehr einzig das Wohlwollen des stellvertretenden Direktors der Nationalbank in Isfahan sichern sollten. Wohlgemerkt, nur zur Mahnung und Belehrung seiner lieben Mitbürger von Isfahan spreche er diese bittere Erfahrung an, die sich in seinem Leben oft wiederholt habe. In seinem hohen Alter, an der Schwelle zum Entwerden, habe er sich über nichts zu beschweren, wünsche von niemandem eine Entschuldigung und erwarte erst recht keine Wiedergutmachung von irgendwem auf Erden. Als Beispiel für den Opportunismus führt er die Fabrikanten an, die ihm während seiner Amtszeit den Dünger und die Geräte, die er für seine Ländereien benötigte, stets überpünktlich, in bester Qualität und am liebsten kostenlos lieferten. Nachdem Großvater pensioniert worden war, behandelten ihn dieselben Fabrikanten hingegen abschätzig, verwiesen ihn an die üblichen Verkaufsstellen und ließen sich am Telefon verleugnen. Der Leser könne jetzt meinen, befürchtet Großvater sogleich, daß er umgekehrt auch manche Gefälligkeit erwiesen habe, wenn ein Kunde ihm persönlich nützlich sein konnte, aber in dieser Hinsicht habe er sich, Gott sei gepriesen, nichts vorzuwerfen, ungeachtet es für ihn, da sein Licht verlösche und sein ganzes Denken und Streben auf die Gnade Gottes gerichtet sei, wahrlich keinen Grund mehr gebe, seine Handlungen zu beschönigen oder auch nur einen seiner zahlreichen Fehler und Schwächen zu leugnen, die seine Tugenden bei weitem überwögen: »Nicht ein einziges Blatt Papier, das der Nationalbank, damit dem Staat und letztlich allen Bürgern Irans gehörte, habe ich je für eine private Mitteilung benutzt.« Es mag biedersinnig klingen, wie er seine Unbestechlichkeit betont, und ist doch typisch für Großvater, wie er auch mir vor Augen steht, etwas penetrant in seiner Korrektheit und trotz der kleinen, rundlichen Statur und all den Gebrechen, die ihn erniedrigten, von ausnehmender Dignität. Die strenge Ausübung der religiösen Pflichten, die ihn seit der Erweckung durch eine streichholzschachtelgroße Kiste kennzeichnete, also schon in relativ jungen Jahren, war in seiner gesellschaftlichen Schicht alles andere als üblich, wie etwa die Schwierigkeiten zeigen, die ihm der Bart bescherte. Im Basar, bei den Vertretern der verschiedenen Stände mochte ihm die Gottesfurcht Sympathien einbringen, wie Großvater im Zusammenhang mit dem Kauf einiger Grundstücke am Rande des Basars andeutet, auf denen die Nationalbank ihren Neubau errichten wollte: Dort war er es, der die Verhandlungen mit den Händlern und Handwerkern führte, weil er seinem ganzen Habitus nach weniger fremd erschien – allein schon, daß er sie zur Mittagszeit in die Moschee begleitete, um zu beten. In Großvaters eigenen Kreisen dagegen werden manche Herren die Rituale der Pilgerfahrt, des Fastens oder des Gebets und überhaupt den Aberglauben belächelt haben, den der Islam für sie darstellte. Man muß nur die Schriften der größten iranischen Intellektuellen und Schriftsteller aus den dreißiger, vierziger Jahren lesen, um zu sehen, welche Verachtung ein Großteil des Bürgertums der eigenen Religion entgegenbrachte, wie fern sie damit aber auch den Vorstellungen, Wünschen und Gedanken des sogenannten einfachen Volks standen. »Die ganze Philosophie des Islam ist auf Unrat gegründet«, schrieb 1948, also genau in jener Zeit von Großvaters Pilgerreise, dessen ehemaliger Arbeitskollege Sadegh Hedayat: »Er ist ein Übelkeit verursachendes Gemisch aus unverdauten, sich widersprechenden Meinungen und Überzeugungen, die aus anderen Konfessionen, Religionen und dem alten Aberglauben in panischer Eile stibitzt und zusammengekittet worden sind.« Überhaupt gehe die Entstehung des Islam auf eine

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