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jeden Fall Männer, die sich keine Kabine leisten und die sogenannten Schlafsessel im Schiffsinneren verpönen, sondern die Nacht auf einer der Liegen rund um den Pool verbracht haben, der gerade mit Wasser gefüllt wird â was wird sich die Ãltere freuen, wenn sie wach wird, ein Schwimmbad auf hoher See, unvergeÃlich! â, selbst die Hartgesottensten kehren im Schlaf in die seitliche Säuglingsstellung zurück, angezogene Knie, die Hände zwischen den Oberschenkeln vergraben. Daà längst die Sonne auf sie scheint, stört sie nicht. Die übrigen Plätze am Pool haben die Weltläufigen unter den Urlaubern vor dem Frühstück mit Handtüchern belegt. Gestern abend feierten sie zu Hunderten bei Karaoke, die der Alleinunterhalter entnervt einschaltete, als ihm alle den Rücken zuwandten. Sein Berufsethos oder sein Arbeitsvertrag verlangte, hinter den Keyboards sitzen zu bleiben, um die Schlager zu untermalen, die er aus dem Computer einspielte, sein Stolz den verächtlichen Blick. Herren, die übermorgen wieder in Büros sitzen dürften, kreischten wie Groupies zu den ersten Stimmübungen ihre Töchter. Die Motorradfahrer, die von den Harley Davidson Days Barcelona 2008 zurückkehren, zogen standesgemäà den Whisky an der Poolbar vor. Auf Deck imitieren sie das Bild des gutmütigen, gleichwohl besser nicht zu provozierenden Riesen, welches das satte, tiefe Knurren ihrer Harley-Davidson untermalt. Die Gelassenheit, mit der sie sich auf den Liegestühlen fläzen, oder der Tonfall, in dem sie sich an der Poolbar zwischen den beiden angebotenen Whiskys für das herb klingende Label entscheiden, ist uniform wie die Ledermontur. Manchen ist anzumerken, daà sie die Uniform nie ablegen, andere stellt der Urlauber sich übermorgen in einem Büro neben den kreischenden Vätern vor, doch alle greifen mit derselben Pranke nach dem Whisky, ob sie nun groÃgewachsen sind oder klein, breit oder schmal, vierzig oder fünfundsechzig â in eine Pranke verwandelt die Harley-Davidsoneine jede Hand. Als die Motorräder in den Schiffsbauch fuhren, fragte der Urlauber sich, was Erwachsene dazu bewegt, ihre Ferien mit anderen Erwachsenen zu verbringen, nur weil sie dasselbe Motorrad besitzen. Am Pool hingegen leuchtet es ihm genauso ein, wie ihm beim Nordatlantikpakt eingeleuchtet hatte, worin die Anziehungskraft einer Armee liegt, nicht nur in den Waffen, nicht nur im Männlichkeitsgehabe, vielmehr im Anschein, nicht allein auf der Welt zu sein. Wenn schon Gemeinschaft, würde er allerdings die Musik der Harley-Davidson dem Krach von Maschinengewehren vorziehen, denkt der Urlauber, der seine eigenen Autos nicht zuletzt nach dem Motorengeräusch auswählt.
Auf der Promenade vor den Ateliers schauen sich Sonntag abend alle auÃer Nummer sechs Harald Bergmanns Film über Rolf Dieter Brinkmann an, um den die Nummer zehn vor Monaten seine Allmacht erweiterte. Natürlich seufzen alle laut auf, als die Akademie mitsamt der Promenade erscheint, nur leider so kurz. Vermutlich fehlte Bergmann das Geld, die frisch renovierten Ateliers und den herrlichen Park wieder in den heruntergekommenen Zustand von 1973 zu bringen. Im Film sitzt der Schauspieler, der Brinkmann darstellt, zwar an einem alten Holztisch und vor einer Schreibmaschine, jedoch auf einem der unmöglichen Designerstühle, über die Brinkmann selbst sich sein ganzes Buch lang aufgeregt hätte. Dafür zeigt der Film um so mehr von Köln, wo man kein Geld ausgeben muÃ, damit es so heruntergekommen aussieht wie 1973, und Brinkmann mit dem Fahrrad durch die Gasse, in der Ed. Balke jr. damals bereits seit knapp vierzig Jahre sein Eisenwarengeschäft betrieb. Dessen Tochter, die heute an der gleichen mechanischen Registrierkasse in wahrscheinlich demselben blauen Kittel steht, ist ungefähr in dem Alter, fünf, sechs Jahre älter vielleicht, in dem Brinkmann heute wäre, fällt mir ein und leiste Harald Bergmann Abbitte nicht nur, weil ich so stolz auf mein heruntergekommenes Köln bin; schon der Vorspann, in dem der Darsteller Brinkmanns mit Brinkmanns Originalstimme den Himmel beschimpft, ohne einen Grund anzugeben, einfach so, als ob es einen anderen Himmel geben könnte, erinnert an den heiligen Lochman Sarrachsi, der auf dem Steckenpferd auszog, um gegen Gott zu kämpfen. Auf alten Super-8-Aufnahmen ist Brinkmann selbst zu sehen, wie er am Schreibtisch ins
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