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paradiesischen Verhältnissen Ihrer eigenen Kindheit und der späteren Deklassierung und Vertreibung Ihres Standes, Mama? GroÃvater selbst muà über die himmelschreiende Armut gesprochen haben, war er als Parteigänger des linksliberalen Doktor Mossadegh doch kein typischer Vertreter der Grundbesitzerklasse und wurde die Isfahaner Lokalpolitik einen GroÃteil der vierziger Jahre von der kommunistischen Tudeh-Partei beherrscht. Allein schon, daà die Familie bis in die achtziger Jahre Bedienstete hatte â noukar ist noch einmal niedriger als kolfat und könnte man in manchen Kontexten auch mit Sklave übersetzen â, müsse man keineswegs für so natürlich halten, wie es sich in ihren Aufzeichnungen lese. Die Mutter findet die Gleichsetzung von noukar mit Sklaven haarsträubend â bandeh seien Sklaven, nicht noukar â und bringt vor, wie gut ihre Eltern das Personal behandelt hätten, wie groÃzügig sie gegenüber den Armen gewesen seien. Daran zweifelt der Sohn nicht und kann es selbst noch bezeugen. Ständig klingelten abgerissene Gestalten an der Tür, die GroÃmutter offenbar regelmäÃig versorgte, und der einzigen Dienerin, die nach der Revolution noch bei ihr wohnte, vermachte sie ein Haus und eine so groÃzügige Pension, daà sich trotz ihres Buckels und ihrer Kleinwüchsigkeit noch ein Gatte für sie fand, über den sich alle den Mund zerrissen. Dennoch erführe die Leserschaft, die sie über ihre Enkel hinaus erreichen möchte, gern mehr über das Personal, als daà die eine glatzköpfig und die andere bucklig war, von den Kindern des Dorfvorstehers mehr als ihren Namen. Durften sie auch den ganzen Tag spielen oder muÃten sie auf den Feldern oder in den Knüpfereien schuften, die Sadegh Hedayat in seinem Bericht über Isfahan beschreibt: »Schickt man sie wie gewöhnlich mit fünf Jahren zum Teppichknüpfen, ist mit zwölf ist nichts mehr von ihnen übrig und sind sie bereit für jegliche Art von Unglück. Wieviel Zeit und Präzisionsarbeit waren notwendig für jeden dieser Teppiche, die wir sehen, wieviel Absichten, die unterdrückt wurden, Augen, die erblindeten, und Lungen, die reif waren für die Schwindsucht!« Und wenn Dürre herrschte â litten die Bauern Hunger? KüÃten sie GroÃvater dann immer noch die Hand? Wurden ihre Krankheiten ebenfalls von einem Arzt behandelt? Einmal in Fahrt gekommen, schlägt der Sohn der Mutter auch vor, etwas über die Geschlechterverhältnisse zu schreiben. Seit er denken kann, schimpft sie über den Machismo der iranischen Männer und die Benachteiligung der Frauen, die welthistorisch in ihrer eigenen Unterdrückung durch den Gatten und die vier Söhne kulminiert, aber in ihren Erinnerungen sind alle Männer plötzlich Gentlemen. Die Mutter verteidigt sich damit, daà sie keinen Sozialroman schreibe und ihre Kindheit nun einmal rundum glücklich gewesen sei, das könne der Sohn ihr nicht zum Vorwurf machen. Das sei kein Vorwurf, betont der Sohn, er glaube nur nicht daran. Offenbar bringt die Frage nach den Frauen die Mutter doch ins Grübeln. Vor einem der Bediensteten, dem Koch Mohammad Hassan, einem jungen ungehobelten Mann, der zuviel Schnaps trank, habe sie besonders groÃe Angst gehabt: Einmal drängte er sie in ein Zimmer, um sie zu begrapschen. Zum Glück konnte sie sich früh genug aus seiner Umarmung winden und aus der Tür rennen. So wie die Verhältnisse waren, von denen der Sohn gern mehr läse, traute sie sich freilich nicht, den Vorfall jemals zur Sprache zu bringen, nicht einmal vor GroÃmutter. Erst Jahre später wurde ihr klar, daà sie womöglich einer Vergewaltigung entkommen war, und erfuhr sie, daà Mohammad Hassan auch versucht hatte, ihre Schwester zu miÃbrauchen. â So etwas müssen Sie sich zu erzählen trauen, sagt der Sohn der Mutter, wenn Ihr Buch Leser finden soll.
Der berühmte Schriftsteller hat sich, obwohl sein Rücken noch mehr schmerzt als der Rücken des Kollegen, der zwanzig Jahre weniger geschrieben hat, der berühmte Schriftsteller hat sich heute zum ersten Mal seit Monaten wieder an die Schreibmaschine gesetzt, teilt er am 20. August 2008 bei seinem Besuch mit. Die Mühsal, über die er stöhnt, kennt der jüngere Kollege nur zu gut, jeder Satz ein Ringkampf. In der Hauptsache geht es darum, überhaupt etwas zu
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