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dem Shopping in der FuÃgängerzone, zwischen MeÃdienern, die schwatzend etwas von hier nach dort tragen, und Ausländern in kurzen Hosen, die beim Vorübergehen einen Blick in die Nische werfen, in der Petrus »einfach so und tschüs« gekreuzigt wird. Wie plastisch das Gemälde ist, wie geradezu aggressiv es ins Auge springt, läÃt kein Bildband erahnen. Als Abbild ist es flach, in der Cerasi-Kapelle in Santa Maria del Popolo, verstärkt wohl auch dadurch, daà man es nur aus unterem, seitlichem Winkel, also eingeschränkter Perspektive betrachten kann, hingegen lebendiger als das Leben selbst oder sagen wir YouTube . Ãffentliche Hinrichtungen von Lutheranern, Juden, Intellektuellen und anderen Häretikern waren unter Papst Clemens VII. ein beinah wöchentliches Spektakel in Rom. Wie oft wird Caravaggio in der Menge gestanden haben? Im Internet kann sich heutzutage jeder ein Bild machen, welche Gesichter Menschen machen, wenn sie hingerichtet werden. Welche Vielfalt. Die Muskelfasern, die Falten, die die Kleidung der vier Personen und rechts unten das bläuliche Tuch wirft, die Barthaare, Brustwarzen und Bauchritzen Petri, seine dreckigen Fingernägel und die beinah schwarze FuÃsohle, die der untere Scherge links unten dem Betrachter genau auf Kopfhöhe hinhält, der ausgeleuchtete Hintern des Schergen, der dadurch nicht schöner wird, die Maserung des Holzes, der Glanz auf dem Nagel und der Schaufel, die physische Anstrengung, die eine Kreuzigung bedeutet, der Brotberuf, der sie nun einmal auch war â alle Welt rühmt heute Caravaggios derben Realismus, an genau dem sich die Kritiker früher stieÃen: Er wolle nur beweisen, schimpfte Jacob Burckhardt, »daà es bei all den heiligen Ereignissen der Urzeit eigentlich ganz ordinär zugegangen sei«. Das stimmt natürlich, denn es geht auÃerhalb von Heilsgeschichten und Romanzen immer ordinär zu, und zwar gerade, wo entsteht, was heilig sein wird oder Liebe. Bei der Kreuzigung Christi hat es schlieÃlich auch keine Filmmusik gegeben. Der Vorwurf verkehrt sich in sein Gegenteil, indem er bezeichnet, wieviel mehr Caravaggio vom Heiligen begriffen hat als Jacob Burckhardt. Aber was das Bild ausmacht, ist mehr als seine ergreifende Natürlichkeit, und damit meine ich nicht einmal die Symbolik, etwa die Anordnung der vier Personen zu einem Kreuz, ihre Verschlungenheit wie zu einem einzigen Körper, die Plazierung von Rot, Grün, Blau und Gelb an je einem Ende der Balken, oder die Komposition aus Licht und Schatten, ist mehr als seine ästhetische und religionshistorische Finesse, die man vierhundert Jahre später nachlesen kann. Ich meine den Blick Petri, zu dem man zweitausend Jahre später nichts nachlesen muÃ. Er stirbt wie ein Mensch: ratlos, einsam, überrascht. »Der Fels« heiÃt Petrus übersetzt, er wurde gerettet, als er Jesus übers Wasser folgen wollte, und schaute bei dessen Verklärung zu. Ihm die FüÃe zu waschen, fühlte er sich nicht würdig, und schlug dem Hohepriester das Ohr ab, als Jesus verhaftet wurde. Im Hof des Kajaphas-Palastes verleugnete er Jesus dreimal, wird von den Evangelien auch sonst als durchaus wankelmütig beschrieben, von Paulus als Heuchler kritisiert (Galater 2,13) und von Jesus selbst sogar als »Satan« beschimpft, »denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist« (Markus 8,33), schämte sich seiner Schwächen, seiner Furchtsamkeit, seiner Zweifel so oft wie kein anderer Apostel und war dennoch der Fels, auf dem Jesus seine Gemeinde bauen wollte, »und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen« (Matthäus 16,18). Er war der erste, der Christus auferstehen sah, und hielt die Predigt am ersten Pfingsttag, bekehrte mit dem Hauptmann Cornelius den ersten Nichtjuden, wurde in den Kerker geworfen und wieder freigelassen. Er heilte vor der Tempelpforte einen Lahmen und in Lod einen Gichtbrüchigen. Andere Kranke genasen allein durch seinen Schatten. In Jaffa erweckte er Tabitha vom Tod. Nach der Enthauptung Jacobusâ des Ãlteren wurde er erneut in den Kerker geworfen, ein Engel erschien, die Ketten fielen, Petrus schritt ungehindert von Wächtern ins Freie und muÃte am Haus der Maria, der Mutter des Johannes Markus, zweimal klopfen, weil die Magd zwar seine Stimme erkannte, aber ihren Ohren nicht traute. Er führte die Gemeinden in Jerusalem und
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